Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
EINLEITUNG

XVII

seinen barocken Einflüssen näher als andere Gauen Deutschlands. So entfaltet
sich in den Nymphenburger Figuren noch in den sechziger Jahren ein Stil, der
die geistreiche Feinheit des Rokoko mit italienischem Schwung und kühner Be-
wegung, südlichem theatralischem, pathetischem Wesen und einem urwüchsigen,
kraft- und humorvollen Bildnertrieb vereint, der als ein Erbteil römischen Barock-
geistes erscheint. Der Träger dieses Stiles ist, wie wir mit Grund annehmen
dürfen, der Böhme Aulic^ek, der in Rom bei dem Meister der von Barocktradi-
tionen zeugenden katholischen Hofkirche in Dresden, Gaetano Chiaveri, seine
Schulung empfing.
Wie lange im „Augsburger Geschmack“ das Rokoko noch anhielt, geht
aus einzelnen Stichen des Johann Elias Nilson hervor, die in der Augsburgischen
Kunstzeitung 1771’4) als neue Erscheinungen angezeigt wurden und auf denen
noch völlig Rocailleformen herrschen; ferner aus der in demselben Jahrgang
S. 359 mitgeteilten „Vorrede der Daktyliothek des Herrn von Lipperts.“ Dort
heisst es mit Bezug auf die Rokokoformen, sie könnten zwar eine Zeit lang
gefallen, wie etwa ein tolles Geschwätz eines sich närrisch anstellenden Men-
schen wegen der ausserordentlich seltsamen Verbindung der Begriffe lachen mache:
„Der schlechte, ich möchte sagen, unsinnige Geschmack ist endlich in Frank-
reich, wo er doch seinen Ursprung genommen, lächerlich gemacht worden.
Ich wünschte gar sehr, dass dieser falsche Geschmack sich bald verlieren möge.
Derjenige, der ihn in Sachsen eingeführct hat, hat auch den wenigen wahren
Geschmack vollends zu Grunde gerichtet. Es dürfte wohl ein Jahrhundert 'ver-
gehen, ehe er sich wieder verlieren dürfte: denn er hat sich sogar bis auf die Zucker-
bäcker ausgebreitet.“
Der Feind, der hier bekämpft wurde, war schon im Rückzüge. Die antiki-
sierenden Neigungen, welche in Frankreich schon in dem letzten Abschnitt des
Rokokostiles vereinzelt hervorgetreten waren, bereiteten im Verein mit der 1748
erfolgten Entdeckung der Vesuvstädte Pompeji und Herculaneum, der phantasti-
schen Rekonstruktion der Antike durch Piranesi u. a. und der gelehrten eines
Winckelmann als letzte Phase der grossen Renaissancebewegung den Klassizis-
mus, die antiquarische Renaissance vor.35) Die Porzellanplastik gewann in dem für
Ludwigsburg thätigen Statuaire Beyer einen der frühesten Vertreter dieser Rich-
tung in Deutschland, sodass auch der antikisierende Geschmack in den Porzellan-

111
 
Annotationen