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Der Tamburinschläger.
Ein Bildchen der Wiener Galerie, auf dem ein kleiner Knabe
zu sehen ist, wie er vor einem mit Bäumen und Laubwerk ange-
füllten Hintergründe, auf einer niederen Stufe sitzend, ein Tam-
burin schlägt, wird von Growe und Cavalcaselle wegen des schlechten
Erhaltungszustandes und wegen der Landschaft, die eher flandrisch
als italienisch sei, nicht als Arbeit Tizians anerkannt. Die spätere
Forschung hat das Bild Tizian zurückgegeben. Gronau datiert es
gegen 1510
Die Zuschreibung an Tizian kann sich nur auf den Knaben
selbst stützen. Die Landschaft muß sofort preisgegeben werden.
Sie ist in jeder einzelnen Form und in ihrer gesamten Anlage so
völlig untizianisch, daß daran unmöglich nur Übermalung Schuld
sein kann; es sei denn, daß die Übermalung die ursprüngliche
Anlage vollständig zudecke. Die Landschaft, wie sie jetzt zu sehen
ist, trägt den Charakter einer späteren Zeit, der des Tintoretto und
Veronese etwa, in welcher die Tendenzen nach rascher, unmittelbar
dekorativer Wirkung, die sich auch bei Tizian schon finden, zur
Herrschaft gelangt sind. Als solche operiert sie mit großen Massen
und Formen — die Blätter —, lehnt die weit sich ausbreitende,
an Details reiche Ferne, deren Betrachtung Zeit erfordert, ab und
verbindet sich mit der Figur durch wenige große, sofort in die
Bei dieser Gelegenheit will ich nicht unerwähnt lassen, daß in der Figuren-
anordnung Rafaels Bildnis Leos X. (Bitti) eine entschiedene und schwerlich zu-
fällige Ähnlichkeit mit dem Konzert zeigt.- (Auf diese Ähnlichkeit hat mich
Professor Rintelen aufmerksam gemacht.) Da sich in der vorangehenden
Horentinisch-römischen Kunst keine Analogien zu einer solchen Bildanordnung
nachweisen lassen und venezianischer Einfluß sich bei Rafael auch sonst in jener
Zeit bemerkbar macht, so ist es sehr möglich, daß Rafael hier der empfangende
’l’eil war. Es ist aber ungewiß, ob Rafael die Anregung von dem Konzert selbst
erhielt oder von einem anderen, nicht mehr nachweisbaren Bild mit ähnlicher
Figurenanordnung. Die natürliche, freilich nicht zu beweisende, Annahme wäre
die, daß diese Anordnung damals in Venedig allgemein aufkam und durch ein
Bihl des nach Rom gezogenen Sebastiano dem Rafael bekannt wurde. Ich per-
sönlich möchte dies schon deshalb glauben, weil ich mich nicht damit abfinden
kann, daß Rafael von einem so mäßigen Bilde ■ wie unendlich ist sein Leo X. dem
Konzert überlegen! — sollte inspiriert worden sein. Auf keinen Fall aber ist
es aus den eben angeführten stilistischen Gründen zulässig, das Konzert mit
Sebastiano in eine engere Verbindung zu bringen.
1 Nr. 181. Aus der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm. Crowe
und Cavälcaselle S. 720, Gronau S. 277.
Phillips S. 73 rückt das Bild in die Nähe des Venusfestes.
 
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