neben oder auf einem Ruhebett ist eine häufig anzutreffende Stel-
lung11. Diese Sitte, so Besuche zu empfangen, hat wie viele andere
Eigentümlichkeiten der mittelalterlichen höfischen Kultur in der
Galanterie des 17. Jahrhunderts fortgelebt.
Das vorliegende Bildchen ist von einer ganz besonders reiz-
vollen Intimität, die durch die enge Abgeschlossenheit des Raumes
noch erhöht wird. Die Perspektive ist sehr fehlerhaft, wie vor
allem an dem in starker Aufsicht gegebenen Ruhebett deutlich
wird. Die Figuren sind nicht in den Raum eingefügt, sondern ein
perspektivisches, den Raum umschreibendes Gebilde umgibt sie.
Die Farbenpracht der Musterungen auf Vorhängen, Decken und
Gewändern ist ganz besonders reich und durch Gold erhöht. Die
Dame, schmal und zierlich wie eine Elfenbeinschnitzerei, sitzt in
einem prächtigen, blau-gold gemusterten, langen Gewand da, des-
sen Herabfließen durch den weichen Fall des weißen Aermelfutters
betont wird. Sie streckt ihre schmalen Händchen nach dem Buch
aus, das ihr der Dichter darreicht. Ihre und des Dichters Hände
sind eigentlich viel zu zerbrechlich, als daß sie das schwere Buch
halten könnten, eine Ueberfeinerung hochgotischer Schlankheit. Es
war ein guter Einfall von dem Künstler, das Hündchen der Dame
an dem Dichter bellend emporspringen zu lassen. Es belebt die
Komposition und stellt zugleich eine Verbindung zwischen den
beiden Gestalten dar, die durch das Buch allein ausgedrückt, steif
wirken würde. Die Gestalt des Dichters ist ebenso wie auf den
anderen Bildern etwas unproportioniert, da der Oberkörper im
Verhältnis zu den Beinen zu lang gezeichnet ist. Der Dichter hat
zu Ehren seiner Dame ein anderes, prächtigeres Gewand angelegt.
Er ist silbergoldgrau gekleidet und trägt eine dunkelgraue Kopf-
bedeckung.
III.
Die drei Miniaturen in N dürften wohl aus den letzten Jahren
des 15. Jahrhunderts stammen. Sie weisen einen durchaus anderen
Stil auf als die bisher besprochenen. Es fällt besonders auf, daß
der Maler auf allen drei Bildern die Gestalten in einem Innenraum
darstellt, während doch das Gedicht das Gespräch zwischen dem
Dichter und den vier Damen als im Freien stattfindend schildert.
Der Nachdruck der Komposition liegt also auf der Darstellung des
Raumes, nicht der Gestalt.
Diese Miniaturen sind keine eigentlichen Illustrationen mehr.
Der Maler hat sich in weitestgehender Weise von dem Text frei-
gemacht. So zeigt N I ebenso wie N III nur drei Damen. Auf N I
gewahrt man außerdem im Hintergründe zwei männliche Gestalten,
11 Vgl. nur Martin, Henry, La miniature franijaise, PI. 88 und 90.
(Charles VI und Pierre Salmon) (1409) Bibi. Nat. Fr. 23279,
fol. 19. Bibi, de Geneve, Fr. 165, fol. 4.
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lung11. Diese Sitte, so Besuche zu empfangen, hat wie viele andere
Eigentümlichkeiten der mittelalterlichen höfischen Kultur in der
Galanterie des 17. Jahrhunderts fortgelebt.
Das vorliegende Bildchen ist von einer ganz besonders reiz-
vollen Intimität, die durch die enge Abgeschlossenheit des Raumes
noch erhöht wird. Die Perspektive ist sehr fehlerhaft, wie vor
allem an dem in starker Aufsicht gegebenen Ruhebett deutlich
wird. Die Figuren sind nicht in den Raum eingefügt, sondern ein
perspektivisches, den Raum umschreibendes Gebilde umgibt sie.
Die Farbenpracht der Musterungen auf Vorhängen, Decken und
Gewändern ist ganz besonders reich und durch Gold erhöht. Die
Dame, schmal und zierlich wie eine Elfenbeinschnitzerei, sitzt in
einem prächtigen, blau-gold gemusterten, langen Gewand da, des-
sen Herabfließen durch den weichen Fall des weißen Aermelfutters
betont wird. Sie streckt ihre schmalen Händchen nach dem Buch
aus, das ihr der Dichter darreicht. Ihre und des Dichters Hände
sind eigentlich viel zu zerbrechlich, als daß sie das schwere Buch
halten könnten, eine Ueberfeinerung hochgotischer Schlankheit. Es
war ein guter Einfall von dem Künstler, das Hündchen der Dame
an dem Dichter bellend emporspringen zu lassen. Es belebt die
Komposition und stellt zugleich eine Verbindung zwischen den
beiden Gestalten dar, die durch das Buch allein ausgedrückt, steif
wirken würde. Die Gestalt des Dichters ist ebenso wie auf den
anderen Bildern etwas unproportioniert, da der Oberkörper im
Verhältnis zu den Beinen zu lang gezeichnet ist. Der Dichter hat
zu Ehren seiner Dame ein anderes, prächtigeres Gewand angelegt.
Er ist silbergoldgrau gekleidet und trägt eine dunkelgraue Kopf-
bedeckung.
III.
Die drei Miniaturen in N dürften wohl aus den letzten Jahren
des 15. Jahrhunderts stammen. Sie weisen einen durchaus anderen
Stil auf als die bisher besprochenen. Es fällt besonders auf, daß
der Maler auf allen drei Bildern die Gestalten in einem Innenraum
darstellt, während doch das Gedicht das Gespräch zwischen dem
Dichter und den vier Damen als im Freien stattfindend schildert.
Der Nachdruck der Komposition liegt also auf der Darstellung des
Raumes, nicht der Gestalt.
Diese Miniaturen sind keine eigentlichen Illustrationen mehr.
Der Maler hat sich in weitestgehender Weise von dem Text frei-
gemacht. So zeigt N I ebenso wie N III nur drei Damen. Auf N I
gewahrt man außerdem im Hintergründe zwei männliche Gestalten,
11 Vgl. nur Martin, Henry, La miniature franijaise, PI. 88 und 90.
(Charles VI und Pierre Salmon) (1409) Bibi. Nat. Fr. 23279,
fol. 19. Bibi, de Geneve, Fr. 165, fol. 4.
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