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I.

Einleitung.

Vorgeschichte der Grabung. Nachdem durch die erfolgreichen Ausgrabungen der
Deutschen Orient-Gesellschaft unter Leitung Ludwig Borchardts die Pyramiden und Toten-
tempel der fünften Dynastie in Abusir gründlich erforscht waren und die Wissenschaft ein
klares Bild von der Anlage eines königlichen Grabdenkmals dieser Zeit erhalten hatte, wurde
der Wunsch immer dringender, auch von den älteren Pyramidentempeln der vierten Dynastie
bei Gise ein ähnlich klares Bild zu erhalten.

Das Pyramidenfeld von Gise ist aber furchtbar zerstört. Durch Jahrtausende hindurch
hat es als Steinbruch für das alte Heliopolis und Memphis, für die römische Feste Babylon,
für das arabische Fostat und Kairo gedient. Nur die Pyramiden schienen der Zeit siegreich
widerstanden zu haben. Von den Tempeln dagegen waren nur kaum erkennbare Spuren
vorhanden, sodaß man nicht erwarten durfte, von Gise allein volles Verständnis der Pyramiden-
anlagen zu gewinnen. Nach der Veröffentlichung1 der Pyramidenanlagen der V. Dynastie
aber lag die Sache anders. Mit den baugeschichtlichen Erfahrungen von Abusir ausgestattet,
konnte man es wagen, auch die arg mitgenommenen Kulttempel von Gise in Angriff zu nehmen.

Ein einzelner Bau aus der Pyramidenzeit war daselbst ja schon bekannt. Nach dem
Vorgänge Mariettes, des glücklichen Entdeckers, der ihn 1853 bis 1860 im Inneren aus-
gegraben hatte, nannte man ihn den „Sphinxtempel“.

Der Wirkung dieses Bauwerks in seiner bis zum Äußersten getriebenen Einfachheit
der Formen, mit seinen gewaltigen Quaderdimensionen und seinem kostbaren Material konnte
sich niemand verschließen. Kein Gesims, kein Ornament, kein Relief, keine Inschrift zierte
die Wände. Nur glatte, polierte Wandflächen und vierkantige Pfeiler von rotem Granit
und ein blendend weißer Alabasterfußboden! Mariette hatte seinerzeit die Bedeutung des
Baues nicht erkannt. Erst Piazzi Smyth und nach ihm Flinders Petrie2 3 * wiesen auf den Zu-
sammenhang zwischen ihm und dem in Ruinen liegenden Totentempel vor der Chephren-
Pyramide hin. Erklärt wurde dieser Zusammenhang aber erst, als Borchardt den Bau als
den zur Grabdenkmalsanlage des Chephren gehörigen „Torbau im Tale“ in Anspruch nahm8.

War dies nun der Typus, nach dem wir uns die Totentempel der IV. Dynastie zu
rekonstruieren hatten? Wer wagte die Frage uneingeschränkt zu bejahen, wo man noch nicht

1) Borchardt, Grabdenkmal des Königs Ne-user-re; Grabdenkmal des Königs Nefer-ir-ke-re und Grabdenkmal des
Königs Sahu-re, Band I, Leipzig, J. C. Hinrichs, 1907, 1909, 1910, hier fortan kurz als Ne-user-re, Nefer-ir-ke-re und Sahu-re I zitiert.

2) Fl. Petrie, Pyramids and temples of Giseh S. 128 u. 153.

3) Vergl. Borchardt, Das Re-heiligtum des Königs Ne-Woser-Re I, S. 25, fortan kurz als „Re-heiligtum“ zitiert.

Hölscher, Chephren.

I
 
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