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II. Allgemeine Anlage des Baues: A. Der Torbau.

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mag, wie ein bei den Ausgrabungen gefundener Grabstein zeigt1, konnten wir freilich keine
direkten Spuren nachweisen. Es wurde darum auch darauf verzichtet, sie in dem Schaubild
Blatt 1 darzustellen.

Zu dem Torbau des Chephren wollen wir jetzt unsere Schritte lenken.

Abb. 5. Fassade des Torbaues, Rekonstruktion.

A. Der Torbau.

Wenn im Sommer die rauschenden Fluten vom abessinischen Hochlande herabströmen
und den Nil schwellen machen, so wird das ganze Kulturland zwischen den Bergabhängen
der arabischen und der libyschen Wüste eine einzige Wasserfläche, aus der nur einzelne
hochgelegene Ortschaften und hohe Palmen herausragen. Dann wird der Verkehr von Dorf
zu Dorf zu Wasser aufrecht erhalten. Aus den Ackerbau treibenden Ortschaften am Rande
der Wüste sind mit dem Erscheinen des Hochwassers über Nacht Hafenstädte geworden
mit rege sich entwickelndem Schiffsverkehr.

Ähnlich mag die Stadt des Königs Chephren ausgesehen haben, die wir uns am
Fuße der Hügel von Gise denken müssen. Hier dehnte sich ein breiter Kai aus, wie er
mehrfach vor den Torbauten von Abusir nachgewiesen ist. Das Getreide, das die hörigen
Bauernschaften zur Verpflegung der Arbeiter zu liefern hatten, wurde ausgebotet; Flöße mit
schwerem Baumaterial trieben aus fernen Steinbrüchen heran.

Vor uns erhebt sich der granitene Torbau, ein ungegliederter Koloß von quadra-
tischem Grundriß mit geböschten Wänden. 45 m ist er lang und etwa 13 m hoch, ganz
ohne Zierglieder, ohne Gesimse und Profile, nur mit halbrunden Abdecksteinen bekrönt.

Der Torbau ist eigentlich ein massiver Mauerwerkskörper mit geböschten Außen-
wänden, in dem einzelne Räume gleich Höhlenbildungen ausgespart sind. Es wäre irrig,
seine Entstehung mit dem Hausbau in Verbindung bringen zu wollen; er muß sich ent-
wickelt haben aus dem Massivbau, aus dem Mastabatypus2. Später freilich mit Beginn der
V. Dynastie, wo sich auch inzwischen die Kunst des Wohnhausbaues weiter entwickelt haben
wird, beginnt diese auch auf die Totentempel Einfluß zu gewinnen. Das Motiv der offenen

1) s. Abschnitt VI B.

2) Die Mastaba bestand ursprünglich aus einem über dem unterirdischen Grabe errichteten Massivbau mit einer Kult-
stätte davor. Erst seit dem Übergang der III. zur IV. Dynastie begann man die Opferstätte als eine besondere Kammer im
Innern anzulegen. Dann traten weitere Räume hinzu, bis sich am Ende der V. und in der VI. Dynastie eine stattliche
Anzahl von Innenräumen daraus entwickelt hat, die den Baukörper der Mastaba fast ausgehöhlt haben.

Es mag vielleicht befremdlich erscheinen, daß man einen „Torbau“ äußerlich wie eine Mastaba, wie einen eigent-
lichen Grabbau, charakterisiert. Doch werden wir uns vor Augen halten müssen, daß eine andere monumentale Baukunst,
wie die am Grabbau sich entwickelnde, noch gar nicht bestand.
 
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