Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hölscher, Uvo
Das Grabdenkmal des Königs Chephren — Leipzig, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26793#0119
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
84

Das Grabdenkmal des Königs Chephren.

wendeten Seite des Torbaus nur im Laufe sehr vieler Jahrhunderte entstanden sein — wenn
nicht, was wahrscheinlich ist, künstliche Aufschüttung stattgefunden hat. Der Sand wird
wohl von der Freilegung des Sphinx herrühren, die Thutmosis IV. gleich nach seiner Thron-
besteigung vornehmen ließ. Und unmittelbar oder bald darauf wird wohl das Privathaus der
Schicht II auf diesem aufgeschütteten Boden errichtet worden sein.

2. Der Aufgang ist wohl mit am ersten dem Abbruch verfallen gewesen. Denn
für seine handlichen Quader aus schönem, weißem Kalkstein fand sich die weitgehendste Ver-
wendung. Auf jeden Fall ist in der Perserzeit ebensowenig von dem ehemaligen Aufgang
zu sehen gewesen, wie heutzutage. Damals sind Schachtgräber ganz unregelmäßig neben
und in dem Linienzuge des alten Aufganges angelegt worden.

3. Der Totentempel. Wie wir bereits in Abschnitt III gesehen haben, ist der Toten-
tempel zerstört worden, um die Steine und Statuen für einen anderen Kultbau zu gewinnen.
Er ist also regelrecht abgebrochen worden; die Ziegelrampe ist ein Überbleibsel aus dieser
Zeit. Das kann nun auf keinen Fall später geschehen sein als in der Zeit des neuen Reiches,
vielleicht aber schon früher. Denn an einem Block des Kernmauerwerks findet sich einge-
meißelt eine Anrufung an Flarmachis1, die sicher als n. R. zu datieren ist. Damals muß also
der Tempel im großen und ganzen schon ebenso zerstört gewesen sein wie heutzutage. —
Wir kommen also für die Zerstörung auf dieselbe Datierung wie beim Torbau, nämlich
zwischen Ende des alten und Mitte des neuen Reiches. Das schließt natürlich nicht aus, daß
nach der ersten großen Zerstörung immer von neuem wieder die schier unerschöpfliche
Trümmerstätte als Steinbruch ausgebeutet worden sei. Die Inschriften aus der Zeit Ramses’ II.
an dem Felseneinschnitt (s. S. 66) lassen darauf schließen. Später muß ein Steinbildhauer
hier oben seinen Werkplatz gehabt haben; zahlreiche Kalksteinerzeugnisse seiner Hand fanden
sich: Königsstatuen und Götterbilder, die bei der Herstellung verunglückt waren, kleine Affen
und kleine Steine in Form von Broten, alles unfertig und schlecht im Stil. Aus römischer Zeit
stammen zwei Kaisermünzen, eine davon (Diokletian) an der Nordostecke des Tempels ge-
funden, die andere unter dem Schutt der Pyramidenbekleidung. Es ist wahrscheinlich, daß
in der späten Zeit in den Tempelruinen überhaupt nichts mehr zu holen war, sondern daß
man nur noch an der Pyramidenbekleidung Steine brach.

4. Die Pyramide. Wann die Pyramide erbrochen und das Begräbnis des Chephren
geplündert worden ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Von der Energie, mit der die Grab-
räuber vorgingen, zeugt der Stollen, den sie gewaltsam durch das ziemlich lockere Mauer-
werk getrieben haben (s. S. 66). Belzoni fand in der Grabkammer eine heutzutage nicht
mehr vorhandene arabische Inschrift, welche gelautet haben soll: „Der Meister Mohammed,
der Sohn des Achmed, der Steinmetz, öffnete sie (die Pyramide) zuerst. Zugegen waren
dabei el Melik Othman und der Meister Mohammed Lugleik“ (übersetzt von Lee)2. Es ist
aber anzunehmen, daß die hier erwähnte Öffnung der Pyramide in arabischer Zeit nicht die
erste war.

Ebensowenig genaue Anhaltspunkte haben wir für die Zerstörung der äußeren Be-
kleidung der Pyramide. Es ist zu vermuten, daß man in der Zeit zwischen dem alten und
dem neuen Reich, als man den Tempel und die Außenseiten des Torbaus ihres Granitmaterials

1) s. s. 53-

2) Nach Vyse a. a. O. II, 116.
 
Annotationen