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Anandatempel

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Zeit, als man bei uns an den großen mittelrheinischen Domen (Speyer,
Mainz) arbeitete.
Der innere Kern wird gebildet durch ein mächtiges quadrati-
sches Steinmassiv. An jeder der vier Seiten dieses Massivs sind
quadratische Mittelnischen ausgespart. Hier sind Bildwerke
des stehenden Buddha in der Geste des Lehrens (mit vorge-
streckter flacher Hand) angebracht. Um diesen Kern legen sich
zwei Reihen starker quadratischer Pfeiler, zwischen denen sich
ein zweifacher Ring von engen, spitzbogig gewölbten Gängen hin-
zieht. Nach außen bildet das System dieser Pfeiler eine ge-
schlossene Wand, die durch Fenster in zwei Geschosse aufgeteilt
ist, während eine einzige große Ordnung von Pilastern wiederum
die beiden Fenstergeschosse zusammenfaßt. Die Mitteltrakte jeder
Außenseite springen als dreischiffige Pfeilerhallen ziemlich weit
heraus. Die Front aller dieser Pfeilerhallen zeigt eine ähnliche
Abstufung in der Höhe der einzelnen Schiffe und entsprechend eine
Differenzierung der Dächer wie die Front der altchristlichen Basi-
lika. Die Giebellinien sind ornamental geschwungen und mit einer
Reihe von Lotosblättern wie mit Flammen besetzt. Gleiche Deko-
ration umgibt die Bogenlinien der Hauptportale und der Fenster.
Die Mittelschiffe der vorgelagerten Pfeilerhallen sind breiter ge-
halten als die Nebenschiffe und führen auf die vier Nischen im Kern-
massiv der Anlage und somit auf die Buddhabilder zu. An die
Raumweite altchristlicher Basiliken darf aber nicht gedacht werden.
Selbst die breiteren Gänge des Anandatempels behalten etwas
Kellerhaftes, erscheinen wie Substruktionen, wie schmale Schachte
in einem Bergwerk. Es wirkt manches aus den Höhlentempeln in
der ganzen Bauaufmachung wie auch in der Stimmung nach. My-
stische Dunkelheiten erfüllen die schmalen Stollen. Nur hier und
da wirft Kerzenschimmer auf die Vergoldung der Kultbilder un-
bestimmte Reflexe. Für suggestive Beeinflussung gläubiger Seelen
ist alles getan!1)

0 Vgl. Karl Seidenstücker, Südbuddhistische Studien. Bd. I. Die
Buddhalegende in den Skulpturen des Anandatempels zu Pagan. Ham-
burg 1916.
 
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