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Hottenroth, Friedrich
Trachten, Haus-, Feld- und Kriegsgeraethschaften der Voelker alter und neuer Zeit: mit 120 Taf. u. zahlr. Holzschnitten (Band 1) — Stuttgart, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.12994#0103
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Form des altrömischen Sagum oder der griechischen Chlamys. Später hing man jedoch den Mantel
von hinten her über beide Schultern und verknotete ihn auf der Brust vermittelst daran genähter
Bänder (64. 3.). Die Consuln trugen den Mantel in Form des Himation mit dessen togaartig schrä-
ger Umlage (6.5. ib.), und die Kunst bekleidet Christus und seine Apostel auf diese Weise bis auf
den heutigen Tag. Die früher gebräuchlichen weiten und langen Hosen und selbst die engen Knie-
hosen (64. 1.) wurden von ganz engen Beinkleidern verdrängt, welche sich den Beinen trikot-
artig anschlössen; statt der Sandalen kamen die dem Oriente von jeher eigenen halb oder ganz ge-
schlossenen Schuhe (65. 2. g. 7.) oder höhere mit Riemen versehene Socken (64. 3. 67. 13.), sowie
ganze Stiefel in Gebrauch. Eine Kopfbedeckung war im Allgemeinen bei den Byzantinern ebenso-
wenig üblich, als früher bei den Römern; nur Leute, welche im Freien arbeiteten, trugen einen
Filzhut mit Krämpe (65.1.2.) oder eine flache Kappe (65.3. 66.10.) oder eine Kapuze von
derbem Stoffe. Vom neunten Jahrhundert an wurden Mützen in Gestalt der phrygischen üblich
(67. 13. 14.). Um diese Zeit hatte die auf- und abwogende Laune des Einzelgeschmackes und der
Mode namentlich in den kleinasiatischen Besitzungen der Byzantiner eine Tunika von ganz beson-
derem Schnitt üblich gemacht; dieselbe war vom Gürtel bis zum unteren Rande hinab aufgeschlitzt
(Fig. 52.3.) und an einem Schosse bedeutend länger als am andern; der lange Schoss wurde hinter
einen Gürtel mit lang herabfallenden Enden untergesteckt (67. 13.), der Gürtel selbst aber mit einer
breiten, ebenfalls gegürteten Schärpe wiederum verdeckt; ähnlich verfuhr man nach Belieben mit
beiden Schössen (67. 14.).

Die Tracht der Frauen bewahrte durch alle Zeiten des Reiches in der Hauptsache
ihren herkömmlichen Schnitt, wie sie denn von Haus aus der asiatischen näher stand, als die
männliche Tracht. Die Tunika oder wie die Byzantinerin dieses Gewand zu nennen pflegte: die
Stola reichte bis an die Füsse oder auch über die Füsse herab (64. 8—13. u. s. w.) und schloss sich
eng um den Hals und das Handgelenk. Eine zweite Tunika, über die erste angezogen, hatte kurze
oder lange, immer aber weite Aermel (66. 11. 67. 3.). Auch das römische Jäckchen blieb in
Gebrauch (Fig. 51. 1.). In der Form und Anlage des Mantels machte sich ein grosses Belieben
geltend. Der Mantel war bald rechteckig, bald halbkreisförmig und wurde auf der rechten Schulter
oder mitten auf der Brust durch eine Agraffe festgehalten (67. 4. 12. u. A.). Sehr beliebt, auch bei
den Männern, war die ringsum geschlossene Pänula mit und ohne Kapuze (64. 10-12. 65. 3. 66. 9. 17.).
Noch gab es einen Mantel, dessen Anlage durchaus von dem antiken Umwürfe des Himation oder
der Palla abwich; derselbe wurde nämlich vom Rücken her über beide Schultern nach vorn gelegt
(64. 8. 9.), hier kreuzweis über die Brust hinweg von der linken Schulter über die rechte und um-
gekehrt von der rechten Schulter über die linke nach rückwärts geschlagen und mit dem Nacken-
theil über den Kopf nach vorn gezogen. So angelegt war dieser Mantel vor Allem das Kleid der
ehrbaren Matrone und wurde in dieser Eigenschaft von der byzantinischen Kunst als Gewandung
der Mutter Gottes beliebt und bis auf unsere Tage festgehalten. Auf der Theodosiussäule finden
sich auch Männer in diesem Umwurf abgebildet.

Der Hauptunterschied zwischen klassischer und byzantinischer Tracht wurde vor Allem
durch den Stoff bedingt. In der antiken Kleidung herrschte der Stoff aus Wolle vor; derselbe
schloss sich aufs Bequemste dem Körper an, folgte dessen Bewegungen, erzeugte durch seine Fäl-
telung Licht und Schatten und bestimmte so den plastischen Werth des Kostüms. An die Stelle
des plastischen Wollenstoffes trat jetzt der malerische Seidenstoff: ein schwerer, mit Gold durch-
wehter und mit Brokat besetzter Stoff, welcher sich bog, aber keine Falten warf und statt Licht
und Schatten nur Glanz und Schimmer gewährte. Der Seidenstoff war durchwebt und überstickt
mit regelmässigen geometrischen Mustern in Kreisen, in Vier- und Vielecken, in Sternen, Pflanzen und
Arabesken, in Thierfiguren von so märchenhafter Art, wie sie eben nur die morgenländische Phan-
tasie seit undenklichen Zeiten geschaffen hatte; ja fromme Christen verzierten ihre Tuniken und
Mäntel mit ganzen scenischen Darstellungen aus der christlichen Geschichte: mit der Hochzeit zu
 
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