Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hottenroth, Friedrich
Trachten, Haus-, Feld- und Kriegsgeraethschaften der Voelker alter und neuer Zeit: mit 120 Taf. u. zahlr. Holzschnitten (Band 1) — Stuttgart, 1884

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.12994#0009
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung.

Es ist der stoffliche Gesichtspunkt, welchen dieses Buch hervorkehrt; es will dem Künstler
und kunstverwandten Handwerker in Wort und Bild eine reichhaltige Sammlung von Material aus
dem weiten Gebiete der Völkertrachten an die Hand geben ; es will in gedrängter Uebersicht nicht
nur die Trachten an sich umfassen sammt ihrem Beiwerke: dem Kopf- und sonstigen Aufputze, dem
Schmuck u. s. w., sondern auch die Gegenstände des täglichen Gebrauches in Haus und Feld, die
Waffen, die Transportmittel zu Wasser und zu Land, kurzum, soweit die Quellen es gestatten,
Alles , was geeignet erscheint, die Völker und Rassen von den frühesten Ueberlieferungen an bis
auf die Neuzeit im Bilde und sozusagen in ihrer Lokalfarbe uns vor Augen zu stellen. Nicht
mindere Sorgfalt wie der Tracht hat der Verfasser allem Beiwerke zugewendet, das nun einmal noth-
wendig ist, um die Tracht zur Geltung zu bringen. Er hat dem gerade in unseren Tagen so
lebhaft hervortretenden Interesse für alle Zweige des Kunstgewerbes durch eine Sammlung von
Abbildungen aus den Gebieten der Goldschmiedekunst, der Töpferei, der Tischlerei und verwandter
Beschäftigungen entgegen zu kommen gesucht, ebenso den Wünschen des kriegsgeübten Fach-
mannes durch eine besondere Darstellung der Waffen von der Steinzeit an bis zur Erfindung der
modernen Feuerwaffen. Bei der Auswahl des Stoffes hat er selbst einfache und minderwerthige
Stücke nicht ausgeschlossen, eingedenk, dass auch an ihnen die Vergangenheit lebendig ist und der Geist
des Volkes, das sie geschaffen, dass sie sich zu den Prunkstücken verhalten wie die Knospe zur Blume.

Das Buch möchte eine Art illustrirter Kulturgeschichte auf dem Gebiete des Kostüms
sein, und als solches nicht blos die Aufmerksamkeit der Künstler und einer bestimmten Reihe von
Fachleuten in Anspruch nehmen, sondern auch dem Geschichtsfreunde, dem Archäologen, überhaupt
jedem gebildeten Manne willkommen sein. Der Künstler aber möge sich bewusst bleiben, dass
nicht die Richtigkeit des Kostüms und des Beiwerkes, sondern nur die eigene Empfindung seine
Gestalten lebendig und glaubwürdig machen kann, dass zu den Theilcn, welche ihm dieses Buch an
die Hand giebt, er das geistige Band sich selber verschaffen muss. Zur Kunst gehört die Wissenschaft,
die geschichtliche wie die philosophische; nur diese lehrt den Künstler die Zeit begreifen, in welche
er seine Darstellungen versetzen will, und die Unterschiede zwischen den damaligen und heutigen
Lebenszuständen erkennen. Ohne geschichtliche Studien wird der Künstler eher den Zickzackflug
der Schwalben am blauen Himmel nachzuzeichnen vermögen, als ein vollwerthiges Geschichtsbild
herstellen; das Kostüm und das Geräthe würde ihm unter der Hand zum Plunder werden, der
herzlich wenig taugt. Und was den Kunsthandwerker betrifft, so will ihm das Buch nicht desshalb
die alten und fremden Muster bieten, um ihn zum Kopisten zu machen. Das Alte ist nicht gut
weil es alt, und das Fremde ist nicht gut weil es fremd ist. Die Muster wollen den Sinn für
schöne Formen erwecken und zum selbstständigen Schaffen anregen; sie wollen wie der Samen
sein, den der Landmann nur desshalb ausstreut, damit er neue Früchte trage. Das Beste, was heut-
zutage von unserem Kunstgewerbe geleistet wird, liegt in der Nachahmung des Alten; das ist kein
Lob für uns, aber doch der einzige Weg, den Geschmack zu reinigen, zu üben und selbstthätig
zu machen.
 
Annotationen