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SIEBENTES KAPITEL

Form den Antrag gestellt, den Streit mit Franz I. durch einen persön-
lichen Zweikampf zu schlichten, zuerst nachdem Franz, aus der Kriegs-
gefangenschaft zurückgekehrt, nach des Kaisers Meinung sein Wort
gebrochen hatte, und aufs neue 1536x).
Sowohl der gerichtliche als auch der spontane Zweikampf lebte
gerade in den burgundischen Landen und in dem zanksüchtigen Norden
Frankreichs noch besonders stark in Sitten und Denkweise. Bei hoch
und niedrig huldigte man ihm als der eigentlichen Entscheidung. Mit
dem Ritterideal hatten diese Begriffe an und für sich wenig zu tun; sie
waren viel älter. Die ritterliche Kultur verlieh dem Zweikampf einen
gewissen Anstand, aber auch außerhalb der Adelskreise ehrt man den
Zweikampf. Wenn es sich im Streit um keine Adligen handelt, sieht man
ihn sofort in der ganzen Roheit der Zeit, und die Ritter selbst genießen
das Schauspiel doppelt, wenn ihr Ehrenkodex nichts mit ihm zu
schaffen hat.
Äußerst merkwürdig ist in dieser Beziehung die Teilnahme, welche
die Adligen und Geschichtsschreiber für einen gerichtlichen Kampf
zweier Bürger zu Valenciennes 1455 zeigten* 2). Das war eine große
Seltenheit, wohl seit hundert Jahren war so etwas nicht vorgekommen.
Die von Valenciennes wollten ihn um jeden Preis stattfinden lassen,
denn es handelte sich für sie um die Aufrechterhaltung eines alten
Privilegs; aber der Graf von Charolais, der während Philipps Ab-
wesenheit (in Deutschland) die Verwaltung führte, wollte es nicht und
verschob die Vollziehung von Monat zu Monat, während die beiden
Parteien, Jacotin Plouvier und Maliuot, wie kostbare Kampfhähne fest-
gehalten wurden. Sobald der alte Herzog von seiner Reise zum Kaiser
zurück war, fiel die Entscheidung, daß der Kampf stattfinden solle.
Philipp wollte ihm durchaus selbst beiwohnen; nur deshalb wählte er
auf seiner Reise von Brügge nach Löwen den Weg über Valenciennes.
D Papiers de Granveile, I, p. 360 ff.; Baumgarten, Geschichte Karls V., II,
p. 641; Fueter, Geschichte des europäischen Staatensystems 1492—1559, p. 307.
Vgl. noch Erasmus an Nicolaus Beraldus, 25. Mai 1522, Widmung von De Ratione
conscribendi epistolas, Leidener Ausg., I, p. 344.
2) Chastellain, III, p. 38—49; La Marche, II, p. 406ff.; d’Escouchy, II,
p. 300 ff.; Corp. chron. Flandr., III, p. 525; Petit Dutaillis, Documents nouveaux,
p. 113, 137. — Über eine scheinbar ungefährliche Form von gerichtlichem
Zweikampf, Deschamps, IX, p. 21.
 
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