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DIE POLITISCHE UND MILITÄRISCHE BEDEUTUNG usw. 129

Während nun die ritterlichen Geister, wie Chastellain und La Marche,
bei ihren Beschreibungen der festlichen Pas d’armes von Rittern und
Adligen trotz aller Anstrengung kein einziges Mal eine Realität schildern
können, geben sie hier das deutlichst gesehene Bild. Hier kommt der
rohe Flame, der Chastellain war, unter der prächtigen Houppelande
von Gold und rotem Granatmuster zum Vorschein. Keine Einzelheit
der „moult belle serimonie“ entgeht ihm; er beschreibt genau die
Schranken und die Bänke im Kreise rundherum.
Die armen Schlachtopfer haben jeder ihren Fechtmeister bei sich.
Jacotin als Kläger tritt zuerst auf, barhäuptig mit kurz geschorenem
Haar und sehr bleich. Er ist ganz in ein Gewand von Korduanleder
aus einem Stück eingenäht, ohne etwas darunter. Nach einigen frommen
Kniebeugen und der Begrüßung des Herzogs, der hinter einem Gitter-
werk sitzt, warten die Kämpfer, auf zwei schwarz bekleideten Stühlen
einander gegenübersitzend, bis die Vorbereitungen beendet sind. Die
Herren in der Runde machen leise ihre Bemerkungen über die Aus-
sichten; nichts entgeht ihnen: Mahuot wurde schneebleich, als er das
Evangelium küßte! Dann kommen zwei Knechte und reiben die
Kämpen vom Hals bis zu den Enkeln mit Fett ein. Bei Jacotin zieht
das Fett sofort ins Leder ein, bei Mahuot nicht; für wen wird dies
Zeichen günstig sein? Die Hände werden mit Asche eingerieben, sie
nehmen Zucker in den Mund; dann bringt man ihnen die Keulen und
Schilder, auf welchen Heiligenfiguren gemalt sind, die sie küssen. Sie
tragen die Schilder mit der Spitze nach oben und haben in der Hand
„une bannerolle de devocion“, einen Streifen mit einem frommen
Spruch.
Mahuot, der klein ist, beginnt den Kampf damit, daß er mit der
Spitze seines Schildes Sand schöpft, um ihn Jacotin in die Augen zu
werfen. Ein wütendes Keulengefecht folgt; es endet mit dem Fall von
Mahuot; der andere wirft sich auf ihn drauf und reibt ihm den Sand
in Mund und Augen, Mahuot aber bekommt einen Finger seines Feindes
zwischen seine Zähne. Um sich zu befreien, drückt dieser ihm den
Daumen in die Augenhöhlen, und trotz seines Rufens um Gnade dreht
er ihm die Arme nach hinten und springt ihm auf den Rücken, um
diesen zu brechen. Sterbend schreit Mahuot vergeblich, beichten zu
dürfen; dann ruft er: „0 monseigneur de Bourgogne, je vous ay si
9 Huizinga, Mittelalter
 
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