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SIEBENTES KAPITEL

ab und zu die bewußte Ableugnung des Ritterideals hindurch: manch-
mal nüchtern, manchmal höhnend. Die Adligen selbst erkannten zu-
weilen das aufgeputzte Elend und die Falschheit eines solchen Lebens
von Krieg und Turnieren1). Es ist nicht erstaunlich, daß die zwei
sarkastischen Geister, die für das Rittertum nichts wie Spott und
Verachtung hatten, sich gegenseitig gefunden haben: Ludwig XI. und
Philippe de Commines. Die Beschreibung der Schlacht bei Montlhery
bei Commines ist in ihrem nüchternen Realismus vollkommen modern.
Hier gibt es keine schönen Heldentaten, keinen erdichteten drama-
tischen Verlauf, sondern nur den Bericht von fortwährendem Kommen
und Gehen, Zögern und Fürchten, immer mit einem leichten Sarkasmus
erzählt. Es macht ihm Freude, wenn er von schmählichem Fliehen er-
zählen kann und vom Mut, der zurückkehrt, sobald die Gefahr ge-
wichen ist. Selten gebraucht er das Wort „honneur“, und behandelt
die Ehre beinahe wie ein notwendiges Übel. „Mon advis est que
s’il eust voulu s’en aller ceste nuyt, il eust bien faict.Mais
sans doubte, lä oü il avoit de l’honneur, il n’eust point voulu estre
reprins de couardise.“ Selbst wo er von blutigen Begegnungen er-
zählt, sucht man vergeblich nach der Terminologie der Ritterschaft:
das Wort Tapferkeit oder Ritterlichkeit kennt er nicht2).
Sollte es seine Seeländische Mutter Margaretha von Arnemuiden
gewesen sein, von der Commines seinen nüchternen Geist geerbt
hatte? Es scheint tatsächlich, daß in Holland, trotzdem Hennegauer
Wilhelm IV., dem eiteln Abenteurer, der Rittergeist frühzeitig im Ab-
sterben war, während gerade Hennegau, mit dem es vereinigt war,
immer das echte Land des ritterlichen Adels gewesen ist. Beim Com-
bat des Trente war der beste auf englischer Seite ein gewisser Crokart,
ein früherer Diener der Herren von Arkel. Er hatte im Krieg ein
großes Vermögen erworben, wohl an die 60000 Kronen und einen Stall
mit dreißig Pferden; dabei hatte er sich einen großen Ruf von Tapfer-
keit erworben, so daß der König von Frankreich ihm Ritterschaft und
eine angesehene Heirat versprach, wenn er Franzose werden wollte.
Dieser Crokart kam mit seinem Ruhm und seinem Reichtum nach
Holland zurück, und hielt dort großen Staat; die holländischen Herren
x) Livres messires Geoffroy de Charny, Romania XXVI.
2) Commines, I, p. 36—42, 86, 164.
 
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