190 ELFTES KAPITEL
sagt der Dichter Jean Le Fevre 1376. Es ist ein Eigenname, was auch
die vielumstrittene Etymologie des Wortes sein möge *). Erst viel später
ist aus La Danse macabre das Adjektiv abstrahiert, das für uns eine
so scharfe und eigenartige Bedeutungsnuance erlangt hat, daß wir mit
dem Wort „macabre“ die gesamte spätmittelalterliche Vision des Todes
bezeichnen können. Der Todesbegriff in der Form des „macabre“ ist
in unserer Zeit hauptsächlich noch auf Dorffriedhöfen zu finden, wo
man seinen Nachhall noch inVersen und Figuren spürt. Zu Ende des
Mittelalters ist diese Auffassung ein großer Kulturgedanke gewesen.
Es geriet in die Vorstellung des Todes ein neues, ergreifend phan-
tastisches Element hinein, ein Schauder, der aus dem grausigen Bewußt-
seinsgebiet von Gespensterfurcht und kaltem Schreck emporstieg. Der
alles beherrschende religiöse Gedanke setzte es sofort in Moral um,
führte es auf ein memento mori zurück, machte aber gern Gebrauch von
der ganzen schauerlichen Suggestion, die der gespenstische Charakter
der Vorstellung mit sich brachte.
Rund um den Totentanz herum gruppieren sich einige verwandte
Darstellungen im Zusammenhang mit dem Tod, die ebensosehr ge-
eignet sind als Schrecknis und Warnung zu dienen. Das Gleichnis
von den Drei Toten und den Drei Lebenden geht dem Totentanz
voran* 2). Schon im 13. Jahrhundert kommt es in der französischen
Literatur auf: Drei junge Edelleute begegnen plötzlich drei garstigen
Toten, die sie auf ihre eigene vormalige irdische Größe hinweisen und
auf das baldige Ende, das auf sie, die Lebendigen, wartet. Die er-
greifenden Figuren im Campo santo von Pisa bilden die älteste Dar-
stellung des Themas in der großen Kunst, die Skulpturen am Portal
der Kirche des Innocents zu Paris, wo der Herzog von Berry 1408
den Gegenstand abbilden ließ, sind verloren. Aber Miniatur und Holz-
schnitt machen es im 15. Jahrhundert zum Allgemeingut, und auch
als Wandmalerei ist es sehr verbreitet.
Die Darstellung der drei Toten und der drei Lebenden bildet das
Bindeglied zwischen dem widerwärtigen Bild der Verwesung und dem
x) Siehe aus der umfangreichen Literatur über das Thema G. Huet, Notes
d’histoire litteraire, III, Le Moyen äge, XX, 1918, p. 148.
2) Siehe hierüber Emile Male, l’Art religieux ä la fin du moyen-äge,
II, 2. La Mort.
sagt der Dichter Jean Le Fevre 1376. Es ist ein Eigenname, was auch
die vielumstrittene Etymologie des Wortes sein möge *). Erst viel später
ist aus La Danse macabre das Adjektiv abstrahiert, das für uns eine
so scharfe und eigenartige Bedeutungsnuance erlangt hat, daß wir mit
dem Wort „macabre“ die gesamte spätmittelalterliche Vision des Todes
bezeichnen können. Der Todesbegriff in der Form des „macabre“ ist
in unserer Zeit hauptsächlich noch auf Dorffriedhöfen zu finden, wo
man seinen Nachhall noch inVersen und Figuren spürt. Zu Ende des
Mittelalters ist diese Auffassung ein großer Kulturgedanke gewesen.
Es geriet in die Vorstellung des Todes ein neues, ergreifend phan-
tastisches Element hinein, ein Schauder, der aus dem grausigen Bewußt-
seinsgebiet von Gespensterfurcht und kaltem Schreck emporstieg. Der
alles beherrschende religiöse Gedanke setzte es sofort in Moral um,
führte es auf ein memento mori zurück, machte aber gern Gebrauch von
der ganzen schauerlichen Suggestion, die der gespenstische Charakter
der Vorstellung mit sich brachte.
Rund um den Totentanz herum gruppieren sich einige verwandte
Darstellungen im Zusammenhang mit dem Tod, die ebensosehr ge-
eignet sind als Schrecknis und Warnung zu dienen. Das Gleichnis
von den Drei Toten und den Drei Lebenden geht dem Totentanz
voran* 2). Schon im 13. Jahrhundert kommt es in der französischen
Literatur auf: Drei junge Edelleute begegnen plötzlich drei garstigen
Toten, die sie auf ihre eigene vormalige irdische Größe hinweisen und
auf das baldige Ende, das auf sie, die Lebendigen, wartet. Die er-
greifenden Figuren im Campo santo von Pisa bilden die älteste Dar-
stellung des Themas in der großen Kunst, die Skulpturen am Portal
der Kirche des Innocents zu Paris, wo der Herzog von Berry 1408
den Gegenstand abbilden ließ, sind verloren. Aber Miniatur und Holz-
schnitt machen es im 15. Jahrhundert zum Allgemeingut, und auch
als Wandmalerei ist es sehr verbreitet.
Die Darstellung der drei Toten und der drei Lebenden bildet das
Bindeglied zwischen dem widerwärtigen Bild der Verwesung und dem
x) Siehe aus der umfangreichen Literatur über das Thema G. Huet, Notes
d’histoire litteraire, III, Le Moyen äge, XX, 1918, p. 148.
2) Siehe hierüber Emile Male, l’Art religieux ä la fin du moyen-äge,
II, 2. La Mort.