348
ACHTZEHNTES KAPITEL
Polychromieren von Skulpturen ab, sondern sie müssen auch ihre
Kräfte dem Bemalen von Wappenschildern und Bannern und dem
Entwerfen von Turnierkostümen und Amtskleidern widmen. Melchior
Broederlam, anfangs Maler des Grafen von Flandern Ludwig von Male,
danach der seines Schwiegersohnes, des ersten Herzogs von Burgund,
dekoriert fünf geschnitzte Sessel für das Haus des Grafen. Er repariert
und bemalt die mechanischen Raritäten im Schloß von Hesdin, mit
denen die Gäste benetzt oder bestäubt werden. Er arbeitet an einem
Reisewagen der Herzogin. Dann leitet er die üppige Ausschmückung
der Flotte, die der burgundische Herzog 1387 im Hafen von Sluis für
eine Expedition gegen England, die nie stattfand, versammelt hatte.
Bei den fürstlichen Hochzeiten und Begräbnissen werden stets die
Hofmaler angestellt. In der Werkstätte des Jan van Eyck werden
Statuen bemalt, und er selbst verfertigte für Herzog Philipp eine Art
von Weltkarte, auf welcher Städte und Länder wunderbar fein und
deutlich gemalt zu sehen waren. Hugo van der Goes malt Reklame-
schilder für einen Ablaß. Gerard David soll die Gitterstäbe oder
Fensterläden des Raums im Brothaus zu Brügge, in dem Maximilian
1488 eingesperrt saß, mit Malereien verziert haben, um dem könig-
lichen Gefangenen den Aufenthalt dort angenehmer zu machen.
Von den vielen Werken, die aus den Händen der großen und der
geringeren Künstler hervorgegangen, ist uns nur ein Bruchteil von
ziemlich spezieller Art erhalten geblieben. Es sind hauptsächlich
Grabmonumente, Altarstücke, Porträts und Miniaturen. Von der welt-
lichen Malerei ist, mit Ausnahme der Porträts, nur sehr wenig erhalten.
Von der Zierkunst und dem Kunsthandwerk haben wir einige bestimmte
Gattungen: Kirchengeräte, Kirchengewänder, etwas Möbelkunst. Wie
würde sich unsere Einsicht in den Charakter der Kunst des 15. Jahr-
hunderts vertiefen, wenn wir die Badeszenen von Jan van Eyck oder
Rogier und die Jagdbilder neben die vielen Pietä’s und Madonnen
stellen könnten. Von ganzen Gebieten der angewandten Kunst können
wir uns kaum eine Vorstellung machen. Wir müßten neben die kirch-
lichen Paramente die mit Edelsteinen und Glöckchen besetzten Prunk-
gewänder des Hofs legen können. Die glänzend ausgeschmückten
Schiffe müßten wir sehen können, von denen uns die Miniaturen nur
eine höchst mangelhafte, schematische Vorstellung geben. Es gibt nur
ACHTZEHNTES KAPITEL
Polychromieren von Skulpturen ab, sondern sie müssen auch ihre
Kräfte dem Bemalen von Wappenschildern und Bannern und dem
Entwerfen von Turnierkostümen und Amtskleidern widmen. Melchior
Broederlam, anfangs Maler des Grafen von Flandern Ludwig von Male,
danach der seines Schwiegersohnes, des ersten Herzogs von Burgund,
dekoriert fünf geschnitzte Sessel für das Haus des Grafen. Er repariert
und bemalt die mechanischen Raritäten im Schloß von Hesdin, mit
denen die Gäste benetzt oder bestäubt werden. Er arbeitet an einem
Reisewagen der Herzogin. Dann leitet er die üppige Ausschmückung
der Flotte, die der burgundische Herzog 1387 im Hafen von Sluis für
eine Expedition gegen England, die nie stattfand, versammelt hatte.
Bei den fürstlichen Hochzeiten und Begräbnissen werden stets die
Hofmaler angestellt. In der Werkstätte des Jan van Eyck werden
Statuen bemalt, und er selbst verfertigte für Herzog Philipp eine Art
von Weltkarte, auf welcher Städte und Länder wunderbar fein und
deutlich gemalt zu sehen waren. Hugo van der Goes malt Reklame-
schilder für einen Ablaß. Gerard David soll die Gitterstäbe oder
Fensterläden des Raums im Brothaus zu Brügge, in dem Maximilian
1488 eingesperrt saß, mit Malereien verziert haben, um dem könig-
lichen Gefangenen den Aufenthalt dort angenehmer zu machen.
Von den vielen Werken, die aus den Händen der großen und der
geringeren Künstler hervorgegangen, ist uns nur ein Bruchteil von
ziemlich spezieller Art erhalten geblieben. Es sind hauptsächlich
Grabmonumente, Altarstücke, Porträts und Miniaturen. Von der welt-
lichen Malerei ist, mit Ausnahme der Porträts, nur sehr wenig erhalten.
Von der Zierkunst und dem Kunsthandwerk haben wir einige bestimmte
Gattungen: Kirchengeräte, Kirchengewänder, etwas Möbelkunst. Wie
würde sich unsere Einsicht in den Charakter der Kunst des 15. Jahr-
hunderts vertiefen, wenn wir die Badeszenen von Jan van Eyck oder
Rogier und die Jagdbilder neben die vielen Pietä’s und Madonnen
stellen könnten. Von ganzen Gebieten der angewandten Kunst können
wir uns kaum eine Vorstellung machen. Wir müßten neben die kirch-
lichen Paramente die mit Edelsteinen und Glöckchen besetzten Prunk-
gewänder des Hofs legen können. Die glänzend ausgeschmückten
Schiffe müßten wir sehen können, von denen uns die Miniaturen nur
eine höchst mangelhafte, schematische Vorstellung geben. Es gibt nur