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der Cortona-Schule übernommenen nervösen Strich, wie er für die erste Niederschrift einer Bildidee des Foggini
charakteristisch ist^h Die Umsetzung in den harten Stein durch Torricelh hat zwangsläufig zur Verhlockung und Ver-
gröberung der Einzelheiten geführt.
Engel als Diener des Heiligen waren in bedeutenden Werken des römischen Barock vorgebildet, erinnern wir uns nur
an das von Marcellini modellierte Paar des Ziboriums der Chiesa Nuova! Foggini hat das Motiv aus Rom übernommen
und zum festen Bestand seines Formenvorrates gemacht. In den Eintragungen der Kanzlei trifft man mehrfach auf
diese Gruppen der »duc Angioli vestiti« von der Hand des Künstlers. Foggini hat sie wiederholt als figürlichen Unter-
bau von Reliquiaren verwendet, auch ein von ihm entworfenes, von Picchianti gestochenes Devotionsblatt aus
Vallombrosa zeigt sic3h Das 1696 aufgeführte Reliquiar des heiligen Fiacrius läßt sich nicht mehr nachweisen, aber
der Fuß, auf dem das berühmte Gefäß mit Wildmännern aus dem Schatz des Lorenzo Magnihco ruht, entspricht jener
Beschreibung der »due Angioli vestiti sopra nuvole, che i Modelli fatti dal Foggini« oder des »fusto di due Angeli
d'argento vestiti«, den Merlini zu fertigen hatte. Man braucht nur den rechten dieser Engel mit dem des Daniel-
Reliquiars zu vergleichen, um in beiden dieselbe Hand zu erkennen. Es war für eine bildhauerische Begabung wie die
Fogginis nahehegend, ein Reliquiar durch Hinzufügung figürlichen Schmuckes zu einem Werk der Kleinplastik um-
zugestalten ; in dem Motiv der Engel ließ sich diese Absicht am leichtesten verwirklichen. Das aufschlußreichste Bei-
spiel muß ein Schaugefäß zu Ehren des heiligen Nicolaus gewesen sein, von dem die Dokumente des Jahres 1696
sprechen. Seine ungewöhnlichen Maße sind mit dem Ausdruck »assai grande« angedeutet. Ein reichgeschmücktes
Tabernakel wurde von zwei Engeln aus vergoldeter Bronze getragen. Dieses Reliquiar, an dem die besten Silber-
schmiede der Galleria arbeiteten und das mit Juwelen besetzt war, ist verschollen. In zwei Engeln des Museo degli
Argenti sind vermutlich jedoch Reste dieses prunkvollen Stückes erhalten geblieben, ihr minder wertvolles Material
hat sie wohl vor Plünderung bewahrt. Sie sind auf spätere Sockel gestellt; aber ihre Höhe von mehr als fünfzig Zenti-
meter, ihre Haltung, das Blattwerk in den Händen und die Schrauben für die Montierung lassen als Ergänzung nur
einen größeren Gegenstand zu, den sie verehrend emporhalten sollen. Hier ist der Zusammenhang mit der profanen
Bronzeplastik des Meisters hergestellt: Der rechte Engel ist nicht nur eine vergrößerte Variante desjenigen vom
Daniel-Reliquiar, er ist mehr noch ein Bruder des Hippomenes aus der Dresdener Zweifigurengruppe 33.
Allen weiteren im Palazzo Pitti, im Schatze von S. Lorenzo oder in den Sakristeien anderer Kirchen erhaltenen Reli-
quiaren nachzugehen, erübrigt sich. Die archivalischen Belege erlauben noch manche Identifizierung: etwa der Serie
von vier Papst-Reliquiaren aus der Werkstatt des Merlini, des Dominikaner-Reliquiars in Form einer Tribuna, der
»Wiege des Herrn« von Torricelli und Merlini oder des mit Schildpatt belegten Kreuzes für den Kruzihxus des Kar-
dinals Francesco Maria. Derartige Stücke würden das Bild dieser Produktion nur mehr erweitern, jedoch nicht wesent-
lich bereichern. Stattdessen sollen einige figürlich gestaltete Reliquiare in Edelmetall bekanntgemacht werden, weil sich
in ihnen jene von Foggini verfolgte Tendenz weitaus deutlicher ablesen läßt. Zwar ist der Name des Meisters, der
Zeichnung und Modell der Figuren für das im Jahre 1700 entstandene Reliquiar des hl. Franciscus von Paola geschaf-
fen hat, nicht überliefert, - einer Begründung der Zuschreibung bedarf es dennoch nicht. Hinter dem Entwurf steht
ein Künstler, der als Gtoßbildhauer ausgebildet worden ist. Dieses Reliquiar wirkt eher wie ein verkleinertes Denk-
mal denn wie ein sakrales Gerät. Über quadratischem Grundriß erhebt sich ein hoher, mit Bronzeornamenten ver-
zierter Sockel aus Marmor und Pietre Dure. Er trägt eine freistehende Figurengruppe. Auf einer Wolkenbank kniet
der Heilige mit ausgebreiteten Armen, er bückt verzückt zu dem Schild empor, auf den ihn Michael weist. Der Erz-
engel steht in Helm und Panzer über ihm auf der Wolke, dem strahlenumkränzten Schild in seiner Linken ist das
Wort »CHARITAS« eingeschrieben. Zu Füßen der Gruppe halten zwei Putten die reich dekorierte Custodia, die hinter
einer Kristallscheibe Reüquien birgt. Die minutiöse Beschreibung des Stückes in dem Giornale der Kanzlei unter-
richtet nicht nur über Datierung und Kosten, sondern auch über Werkstoffe und Herstellung. Die Wolke und die
Figur des Erzengels sind aus Silber gegossen, der Strahlenkranz und die Gestalt des Heiligen bestehen aus Gold:
»e detta statua d'oro fatta tutta di piastra stampata sopra un'altra fatta d'argento.« Selbst die vierzehn Diamanten in
Goldfassung auf der Brust des Franciscus sind aufgezählt.
Im Gegensatz zu diesem Beispiel, das die monumentale Denkmalsplastik zum Vorbild hat, überträgt das Reüquiar
des hl. Sigismundus von 1719 den Aufbau eines vielftgurigen Altars in das Kleinformat. In ihm lassen sich Stipes,

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