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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0027
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J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIY. und zu Beginn des XV. Jhs.

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zu leiden hatten. Wenn wir aber trotzdem mit Bozen beginnen, so geschieht es nur des-
halb, weil hier die große Menge des Erhaltenen noch am ehesten ein leidlich abgerundetes
Bild ermöglicht.

Den ausgesprochenen Stil des früheren XIV. Jhs. vertritt in Bozen z. B. eine kleine
Kreuzigung über dem südwestlichen Seitenportale der Pfarrkirche. Zeitlich folgt dann ein
neu aufgedecktes Votivbild aus der sogenannten alten Pfarrkirche, das etwa dem dritten
Viertel des XIV. Jhs. angehören dürfte und auch stilistisch eine Mittelstufe bedeutet. Es
stellt die thronende Madonna dar, vor der der Stifter, ein Ritter in Waffen, verehrend kniet.
Doch klafft von hier bis zum ersten größeren Werke des neuen Stiles immer noch eine
bedeutende Lücke. Es sind dies die Einzelbilder der Apostel und Nothelfer unter Bal-
dachinen, dann der hl. Nikolaus, den Seesturm stillend, und endlich mehrere Szenen aus dem
Marienleben im Chore der Terlaner Pfarrkirche22) (Fig. 1, 2 und Taf. II),

Die Kirche von Terlan wurde nach Beda Weber23) 1380—1400 erbaut, eine Angabe,
die zwar nicht weiter kontrollierbar ist, sich aber mit dem Baucharakter und mit der Jahr-
zahl 1407 auf einem Gemälde im Schiffe wohl vereinen ließe.

Alle, die bisher über die Terlaner Bilder schrieben, trennten sie von den Gemälden
des Schiffes und sprachen ihnen ein höheres Alter zu, was sich durch die größere Einfach-
heit der Bordüren, die Majuskelinschriften und durch manche altertümlichere Kompositions-
schemen (vgl. Fig. 2, die Anbetung der Könige) wohl auch hinreichend begründen läßt.
Anderseits sprechen wieder das im wesentlichen einheitliche Programm in Schiff und Chor,
die Ähnlichkeiten der Architekturen (vgl. Fig. 2 und 3) und manche andere Merkmale für
einen nicht allzu großen Zeitunterschied. Gestützt auf die Jahrzahl 1407 im Schiffe können
wir also die Entstehung der Chorfresken etwa in das letzte oder vorletzte Jahrzehnt des
XIV. Jhs. verlegen.

Es wurde schon oben bemerkt, daß Schmölzer die Bilder einem Salzburger Maler zu-
schreibt und sie für typische Beispiele des „nordisch-gotischen“ Stiles ansieht, die zu den
italienisierenden Langhausfresken im scharfen Gegensatz stünden. Auch Braune24) hält
sie für wesentlich deutsch und findet weder in der Komposition noch in den Figuren
und Architekturen etwas Italienisches. So selbstverständlich nun diese Stellungnahme
auch bei Braune sein mag, bei Schmölzer, der sonst überall mit Eifer für den südlichen
Einfluß eintritt, gibt sie zu denken. Und wirklich, einzelne Typen sehen recht wenig
italienisch aus und manche Kompositionen, z. B. die Krönung Marias oder die Anbetung
der drei Könige, weichen von den im XIV. Jh. im Norden gebräuchlichen kaum ab.
Doch von einer absoluten Unabhängigkeit gegenüber Italien kann trotzdem nicht die
Rede sein. Man darf nicht vergessen, daß der ursprüngliche Charakter der meisten
Köpfe bei der Übermalung durch HintneR und Barth (1884 vollendet) fast ganz verschwunden
und eine verläßliche Beurteilung der Typen dadurch größtenteils überhaupt unmöglich ge-
worden ist. Nur die Umrisse der Kompositionen und der Architekturen bieten noch ein ein-
wandfreies Vergleichsmaterial. Nun zeigt aber z. B. schon ein Blick auf die Darstellung
der Geburt Christi (Fig. 1) in evidenter Weise den engen Zusammenhang mit der toskanisch-
oberitalienischen Trecentokunst und ganz unbegreiflich ist es, wie man in den Architek-
turen das Italienische übersehen konnte. Die Baldachine über den Aposteln, die von nordisch-
gotischen Baldachinen z. B. auch im nahen Schloß Tirol so weit entfernt sind, die oft ver-

22) Eine detaillierte Aufzählung bei Atz und Schatz, 23) Die Stadt Bozen. Bozen 1842, S. 107.

Der deutsche Anteil d. Bistums Trient, Bozen 1903, I 309 f. 21) Ferd. Zeitschr. 1906, S. 71.
 
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