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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Morelovski de Prus, Marian: Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich und sein Verhältnis zu den französischen Teppichen des XV. Jhs.
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0261
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Der Krakauer Schwanritter-Wandteppich und sein Verhältnis zu den
französischen Teppichen des XV. Jhs.

I. Beschreibung

Die ehemalige Residenz der polnischen Könige
besitzt unter ihren zahlreichen Kunstschätzen ein
Meisterwerk der textilen Kunst, einen Wandteppich,
der mit Recht zu den schönsten Erzeugnissen des
auslaufenden Mittelalters gezählt zu werden verdient
und dessenungeachtet ausländischen Kunsthistorikern
fast gänzlich unbekannt ist. Er hängt im linken Seiten-
schiff der imposanten St. Katharinenkirche (auch
Augustinerkirche genannt, neben dem Augustiner-
kloster).

In der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. haben die
Ordensbrüder einen zirka ein Drittel des Ganzen be-
tragenden, durch einen Brand stark beschädigten
Teil dieses Werkes abgetrennt. Letzterer gelangte
in den Siebzigerjahren durch Vermittlung eines
Kunsthändlers in den Besitz des österreichischen
Museums für Kunst und Gewerbe in Wien. Es ist
leicht zu erkennen, daß den Gegenstand der Dar-
stellung Szenen aus der Geschichte des Schwanritters
bilden. Der Inhalt dieser wunderschönen Schöpfung
der altfranzösischen Literatur ist allgemein bekannt
und es ist daher überflüssig, den vorliegenden Artikel
durch die Erzählung der Schicksale des Chevalier au
cygne in die Länge zu ziehen. Der Leser, der in dieser
Hinsicht genauere Informationen wünscht, kann die-
selben in den Handbüchern der französischen Literatur
und namentlich in dem bekannten Werke Prof. Phil.
August Beckers (Altfranzösische Literatur, Heidelberg,
Winter 1907, Seite 103-09) finden.

Die sieben Szenen, die in den beiliegenden
Reproduktionen dargestellt sind und sämtlich nur
die Jugendgeschichte des Schwanritters betreffen,
sollen hier nur ganz kurz erläutert werden.

A. Der Wiener Teppich

1. Bild: Die Vermählung des Königs Oriant
(Vaters des Schwanritters — Inschrift auf dem rechten
Ärmel „Oriat“) mit Beatris (detto linker Ärmel). —

„Matabrunedas ist Oriants Mutter (Inschrift be-
schädigt: „Mat“), befindet sich rechts neben Beatrix.

Die Inschrift oben über dem Bilde lautet;

a) Comment jadis selonc leglise oriant hault et
puissant roy.

b) [A?] dame de noble franchise par bonne amour
donna sa foy.

2. Bild: Matabrune läßt sieben Hunde anstelle
der sieben Kinder niederlegen, von denen Beatrix
(links im Bette) soeben entbunden wurde. Vers-
inschrift lautet:

a) Commet par fainte opinion furent pose devant
(abgebrannt. Allem Anscheine nach: „lareine“).

b) en lieu de generacion VII chiens pour le
(= la — mundartlich) reduire . . . (abgebrannt,
vielleicht: en haine“).

B. Der Krakauer Wandteppich

1. Das untere Bild links: Der Goldschmied
bringt Matabrunen den bestellten Kelch, verschweigt
aber, daß er zur Verfertigung desselben nur eine und
nicht alle sechs Zauberketten (caines), die den Kindern
weggenommen wurden, eingeschmolzen hat. Der
Gesichtsausdruck und die Gebärde des orfevre sind
diesem Sachverhalte entsprechend charakterisiert.
Nur teilweise lassen sich die erläuternden Verse lesen:

a) Convment la vielte matabrune rechoit de lorfevre
la couppe.

b) [Quel avoitl] des caines faite [?] dont [de
puis?] .... (unlesbar und unverständlich) la
couppe.

2. Oben über diesem Bilde sehen wir Elias, d. h.
den künftigen Schwanritter, der nach dem Raube
der Ketten allein die menschliche Gestalt behielt,
wie er seine Schwangeschwister auf dem königlichen
Teiche füttert.

3. Gleich daneben rechts verkündet ein Engel
dem Einsiedler, der die Kinder großgezogen, daß

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