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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0047
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J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

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St. Helena, womit die von St. Katharina bis St. Helena allmählich abnehmende Derbheit,
die Fortentwicklung der Zeichnung (Evangelistenstühle!) und der wachsende Reichtum der
dekorativen Umrahmungen gut im Einklang stünde. Endlich macht auch der Umstand, daß
am Triumphbogen in St. Helena das Wappen der Niedertor prangt, die ja auch in Terlan
als Stifter auftreten, irgend welchen Zusammenhang mit Terlan ziemlich wahrscheinlich.

In diesem Zusammenhänge seien noch zwei Passionsszenen in Söll bei Tramin (Taf. VI)
und die Bilder der thronenden Madonna und des hl. Martin in den Fensterleibungen in
Kampill erwähnt. Die Söller Fresken erinnern sehr stark an St. Katharina. Der Kirche
von Söll wurde 1390 ein Ablaß verliehen35) — möglich, daß damit irgendwelche bauliche
Veränderung und mittelbar vielleicht auch die Ausschmückung der Kirche in Beziehung
steht. Derselbe Meister malte auch die jüngst aufgedeckte Agneslegende in Kaltem
(Fig. 14). Sie trägt die Jahrzahl 1414. Der ins Haus eintretende Krieger bildet einen neuen
Beweis für den Zusammenhang mit St. Katharina und Terlan. Die Kampiller Bilder, die
Semper aus nicht recht ersichtlichen Gründen an Stefano da Zevio erinnern, sind zwar
etwas später entstanden (1430—40), doch dürfte auch ihr Schöpfer aus dem Kreise des
Katharinenmeisters hervorgegangen sein. Endlich erinnern auch die stark ruinierten unteren
Bilder an der Fassade der St. Vigiliuskirche bei Bozen, speziell die Darstellung der
St. Oswaldlegende, sehr stark an St. Katharina.

Sowohl um die Bilder, die in Terlan Stocinger zuzuschreiben sind, als auch um die
Gemälde seines Mitarbeiters lassen sich also eine Reihe engverwandter Gemälde aus der
Bozner Gegend gruppieren, deren gegenseitige Beziehungen über allgemeine, aus der
gleichen Zeit und der analogen Stilstufe herkommende Ähnlichkeiten entschieden hinaus-
gehen. An die Gemälde des ersten Schildbogens reihen sich die Fresken in Kampill und in
der Runkelsteiner Schloßkapelle, an die des zweiten Schildbogens die in St. Katharina bei
Tiers, an der Fassade von St. Vigilius und der größere Teil der Bilder in St. Helena
bei Deutschnofen. In weiterem Abstande folgen dann die Bilder in Söll und Kaltem
und die Fensterfresken in Kampill, und — mehr an Stocingers Art erinnernd — die
übrigen Gemälde in St. Helena. Ob wir es dabei wirklich nur mit zwei bestimmten
Meistern zu tun haben oder ob auch, was ja an und für sich das wahrscheinlichere
wäre, verschiedene Hilfskräfte, oft mit sich gegenseitig kreuzender Beeinflussung, mit-
arbeiteten, das läßt sich bei dem heutigen Erhaltungszustände der Bilder kaum mit ab-
soluter Sicherheit ausmachen. Vielleicht, daß die Aufdeckung neuer Fresken in diese
Frage noch einmal größere Klarheit bringen wird. Ganz sicher geht aber aus unseren
Untersuchungen so viel hervor, daß all die genannten Bilder wirklich einer Schule
im engeren Sinne angehören, deren Kräfte in der ganzen Bozner Gegend in enger Gemein-
samkeit arbeiteten.

Indessen gibt es in und um Bozen aus den ersten Dezennien des XV. Jhs. auch noch
eine Reihe anderer Wandgemälde, die mit den bisherigen sicher nicht in direkter Be-
ziehung stehen.

In St. Johann im Dorfe, einem kleinen Kirchlein am Nordende der Stadt, ist an der
Decke Christus in der Mandorla zwischen den Evangelistenzeichen und Engeln, an den
Schiffswänden die Legenden der beiden hl. Johannes dargestellt. Die Fresken in der Apsis,
unter denen sich übrigens auch noch eine ältere Schicht befindet, sind beinahe vollständig

35) Ebd., II 149.

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