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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0055
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J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

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gearbeitet, denn 1508 werden an den Maler Marx Reichlich für seine Arbeit in Runkel-
stein 300 Gulden ausgezahlt und ein zweiter Posten von 100 Gulden wird 1511 verzeichnet.
Um neue Bilder kann es sich dabei kaum gehandelt haben, wenigstens lassen sich keine
solche mehr nachweisen. Dagegen zeigen ein guter Teil der ursprünglichen Bilder tat-
sächlich starke Übermalungen aus der Zeit Maximilians. Solange nun Max lebte, erfreuten
sich die „guten alten Istori“, wie sich der Kaiser ausdrückt, freilich einer rührenden
Sorgfalt. So verfügte er gelegentlich, man solle vier Gefangene, die man nach Runkelstein
bringen wollte, nicht ins Schloß geben, damit sie die Gemälde nicht schädigten und das
Schloß nicht unsauber machten. Später aber litten die Bilder unter dem allgemeinen Ver-
fall des Schlosses und 1868 stürzte sogar ein Teil mit der zugehörigen Mauer über den
hohen Felsen in den Fluß hinunter und konnte nur mehr teilweise gerettet werden. Von einer
modernen Restaurierung allerdings sind die köstlichen Bilder glücklich verschont geblieben.

Schon die dargestellten Stoffe verraten den engen Zusammenhang der Runkelsteiner
Fresken mit der gleichzeitigen höfischen Kunst. Gerade deren beliebteste Darstellungs-
kreise, das ritterliche Leben, Szenen aus den Heldengedichten, die Triaden, den scholastischen
Bilderkreis, finden wir auch in Runkelstein wieder. Es wird uns das um so weniger über-
raschen, da ja ein Vintler der Verfasser des Lehrgedichtes „Blumen der Tugend“ war und
so mit den höfischen Geistesströmungen seiner Zeit jedenfalls in innigem Kontakte stand.
Auf die höfische Kunst um die Wende des XIV. und XV. Jhs. weist aber auch der Stil
der Bilder. Er stimmt im allgemeinen mit den sonst bekannten französischen, deutschen,
böhmischen und oberitalienischen Darstellungen vollständig überein, nur daß er eben, wie
auch viele andere gleichzeitige Wandgemälde Tirols, zum Teil eine etwas provinziell ver-
gröberte Formensprache aufweist. Doch hat man sich diese höfische Kunst natürlich nicht
so vorzustellen, als ob sie von der übrigen Malerei jener Zeit irgendwie wesentlich ver-
schieden gewesen wäre. Es werden oft genug ganz dieselben Maler für Kirchen so gut wie
für Ritterburgen gearbeitet haben. Auch die Runkelsteiner Bilder g-ehen stilistisch mit der
kirchlichen Bozner Malerei jener Zeit durchaus zusammen. Nur den verschiedenen Dar-
stellungsstoffen ist es zuzuschreiben, daß sie auf den ersten Blick aus ihrer Umgebung
etwas herauszufallen scheinen. Man vergleiche nur etwa die Zuschauergalerie oder die
Architekturen des Gareizyklus, soweit sie nicht der Restaurierung des XVI. Jhs. angehören,
mit entsprechenden Bildern Stocingers und des Meisters vom Kindermorde oder die
Bordüren und manche Gesichter bei den höfischen Szenen mit den Bildern von St. Johann
und St. Vigilius, und man wird die Verwandtschaft allsogleich erkennen. Auf die Ähn-
lichkeit mit den Bildern in St. Johann macht auch Riehl aufmerksam41). Daß speziell
die höfischen Szenen so flach wirken und von der raumbildenden Tendenz der gleich-
zeitigen Malerei so wenig berührt erscheinen, kommt wohl daher, daß sie offenbar Wand-
teppiche nachahmen sollen und daher auch eine Beeinflussung durch Teppiche sehr
nahe lag. Freilich, die Runkelsteiner Bilder, die übrigens sicher von mehreren Händen
stammen, mit einer bestimmten Gruppe der oben charakterisierten Bozner Wandmalereien
in direkten Zusammenhang zu bringen, möchte ich vorläufig nicht wagen.

Die Verteidiger des „rein deutschen“ Charakters der tirolischen Wandmalerei haben diesen
in den Runkelsteiner Bildern natürlich mit besonderer Sicherheit festgestellt. Und in dem
Sinne, daß sie mit den damals auch in ganz Deutschland üblichen höfischen Darstellungen
zweifellos übereinstimmen, sind die Bilder auch wirklich deutsch. Ja, mit Ausnahme der

41) Die Kunst an der Brennerstraße, S. 203 f.

Kunstgescliichtliches Jahrbuch der k. k, Zentral-Kommission 1912 -
 
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