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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0076
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48 J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

IV. Der Meraner Kreis

Als drittes Zentrum für die deutschtirolische Wandmalerei unserer Epoche wurde oben
Meran angesprochen. War Bozen eine reiche Handelstadt und Brixen der Sitz eines Fürst-
bischofs, so verdankte Meran seine Bedeutung im XIV. und auch noch im beginnenden
XV. Jh. den Landesfürsten, die hier residierten. Mit Meran stand dann geographisch und
kirchlich Vintschgau in engster Verbindung, und dementsprechend macht sich auch in der
Kunstübung dieser Gebiete ein deutlicher Zusammenhang geltend. Es wird sich daher
empfehlen, die Denkmäler Merans und Vintschgaus gemeinsam zu behandeln.

Vom malerischen Stile der unmittelbar vorhergehenden Periode geben uns in diesem
Gebiete die Wandmalereien des Schlosses Tirol und am Vigiljoch den besten Beleg. Wir
sehen hier eine Kunst, die noch nicht zur Komposition und Gestaltung im Raume durch-
gedrungen ist, aber sowohl im dekorativen Gesamtarrangement als auch in der Durch-
modellierung der einzelnen Figur Bedeutendes leistet. Die starken Archaismen im deko-
rativen Beiwerk auf Schloß Tirol gehen möglicherweise auf die Nachahmung ursprüng-
lich romanischer Ornamente zurück63).

Dagegen sind die Fresken an der Prokuluskirche bei Naturns, die man wohl auch als
Verbindungsglieder zwischen dem romanischen und gotischen Stil bezeichnet hat, viel
später entstanden und zeigen bereits den vollentwickelten Stil des beginnenden XV. Jhs.,
allerdings in einer sehr rohen Form.

Eher könnten die stark zerstörten Fresken des Schlosses Lichtenberg in Vintschgau in
diesem Zusammenhänge genannt werden. Das Schloß dürfte einst ähnlich wie Runkelstein
ausgeschmückt gewesen sein, da man es aber seit einem Jahrhunderte dem völligen Ver-
falle überließ und die Bilder Wind und Wetter schutzlos preisgegeben waren, verfiel die
Mauer, bröckelte die Mörtelschicht ab, und selbst an den wenigen noch erhaltenen Resten
sind die Farben beinahe ganz verschwunden. Die heute noch erkennbaren Darstellungen
behandeln die Geschichte der ersten Menschen und außerdem höfische Stoffe, so z. B. Jagd-
und Minneszenen und Ritterkämpfe64). Der Zusammenhang mit gleichzeitigen Webereien
und Miniaturen darf auch hier als sicher angenommen werden. Der Stil ist aber noch
ziemlich rückständig, und weiß noch nichts von räumlicher Wirkung. Es ist wohl möglich,
daß sie nicht viel älter sind als die Runkelsteiner Fresken, doch müßten sie dann von
einem etwas zurückgebliebenen Maler stammen (Taf. XIII).

In allen übrigen Gemälden aber, die im Meraner Kreise in unsere Periode fallen, tritt
der neue malerische Stil schon in seiner fortgeschrittensten Durchbildung auf und für seine
allmähliche Entwicklung werden uns hier keine Anhaltspunkte gegeben.

Eine feste Basis für unsere Untersuchung besitzen wir in den erst vor etlichen Jahren
aufgedeckten Wandmalereien der Friedhofkapelle in Riffian, von denen wir sowohl den
Meisternamen als auch das Entstehungsjahr kennen (Fig. 24, 25).

Da diese Bilder, die zweifellos zu den hervorragendsten Werken der ganzen Periode
gehören, bisher noch nie besprochen wurden, so möchte eine kurze Beschreibung nicht un-
angebracht sein.

63) Dafür läßt sich wenigstens in einem Falle ein sicheres 64) Die Fresken wurden endlich 1910 abgelöst und

Beispiel anführen. Ein Apsisfenster im ersten Stockwerk wird ins Ferdinandeum nach Innsbruck übertragen, wo sie nun
von einem Flechtband umrahmt, das auch in die teilweise einen der interessantesten Schätze des Museums bilden,
bloßgelegte darunterliegendeSteinumrahmungeingemeißelt ist.
 
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