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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Weingartner, Josef: Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0089
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J. Weingartner Die Wandmalerei Deutschtirols am Ausgange des XIV. und zu Beginn des XV. Jhs.

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wir auch hier um diese Zeit die stärkste Annäherung an Oberitalien und an die zarte,
höfisch beeinflußte Art der internationalen Modekunst. Der bedeutendste Meister, in dem
sich diese Tendenzen am reinsten und glücklichsten verkörpern, war Meister Wenzlaus,
der 1415 in Riffian und aller Wahrscheinlichkeit nach schon 1414 in der Meraner Turm-
halle tätig war. Können wir die Bilder in Schönna als eine Vorstufe auf die reife Kunst
dieses Meisters betrachten, so zeigen andere Bilder (St. Prokulus) seine allerdings ihm nicht
ebenbürtige Schule. Völlig roh aber wurde der damalige Zeitstil von den Bauernmalern
des abgelegenen Vintschgaues gehandhabt, wovon schon St. Prokulus, noch mehr aber
St. Leonhard in Latsch, Rojen und Morter beredtes Zeugnis ablegen.

V. Schluß

Unser Überblick über die deutschtirolische Wandmalerei im ausgehenden XIV. und
im beginnenden XV. Jh. hat uns vor allem den großen Reichtum an erhaltenen Denkmälern
deutlich vor Augen geführt. Die Ortschaften und Kirchen, die für unsere Periode in
Betracht kommende Bilder enthalten, sind nach dem Gesagten: in Bozen St. Johann im
Dorfe, St. Oswald, die alte Dominikanerkirche, St. Vigilius am Kalvarienberg, Kampill,
Runkelstein, dann Stift Gries, Terlan, Gfrill bei Tisens, St. Zyprian in Sarnthein, Durnholz;
südlich von Bozen St. Katharina in Kaltem, Altenburg, Söll, Tramin, Pinzon und Salurn; an
den Hängen des unteren Eisacktales St. Magdalena in Dreikirchen, St. Valentin bei
Seis, St. Katharina bei Tiers und endlich St. Helena bei Deutschnofen.

In Brixen kommt vor allem der Domkreuzgang und die Johanniskirche in Betracht,
dann das Sternwirtshaus, St. Zyrill bei Tils, Gufidaun, St. Valentin bei Villanders; im Pustertal
Sonnenburg, St. Georgen bei Bruneck, Aufhofen, Ospedale bei Ampezzo, Prägraten, ein
Bildstock bei Lienz. Hieher gehört ferners die Spitalkirche in Sterzing, ein Bauernhaus
zwischen Sterzing und Gossensaß, endlich die Pfarrkirchen von Hall und hl. Kreuz.

Die Denkmäler des Meraner Kreises endlich finden sich in der Turnhalle und an der
Barbarakirche in Meran, in der Friedhofkapelle in Riffian, in St. Georg bei Schönna,
St. Rupert bei Tirol, St. Georg über Lana, St. Katharina in der Scharte, St. Prokulus bei
Naturns, in Plars, bei Algund, in Morter im Vintschgau und in St. Leonhard in Laatsch.

Dazu kommen noch eine lange Reihe von Kirchen, in denen unter der Tünche Fresken
wahrzunehmen sind und auch wo man es nicht erwartet, bringt fast jedes Jahr eine neue
Entdeckung. Es ist daher sehr leicht möglich, daß im Laufe der nächsten Jahrzehnte noch
sehr wichtige Denkmäler zum Vorschein kommen, die neue Aufschlüsse über stilistische
Zusammenhänge geben und da oder dort vielleicht auch das Gesamtbild noch ändern
können. Eine Zusammenstellung des bisher erreichbaren Materials hat also auch im besten
Falle nur einen vorläufigen Wert. Soweit aber bisher ein Gesamturteil möglich ist, lag der
künstlerische Schwerpunkt in dieser Periode unbestreitbar in Südtirol, und zwar in seinen
hervorragendsten Kulturstätten Bozen, Brixen und Meran, die naturgemäß auf ihre Um-
gebung von weitgehendem Einfluß waren. So schließt sich das untere Eisacktal und das
Etschland an Bozen, das Burggrafenamt an Meran, das obere Eisack- und das Pustertal an
Brixen an. Für die Gegenden nördlich vom Brenner und wohl auch für Obervintschgau
liegen noch zu wenig Denkmäler vor, um eine bestimmte Meinungsäußerung zu ermöglichen.

Der Begriff Schule darf, wie ebenfalls schon gesagt wurde, von den einzelnen Zentren
nur in einem sehr losen Sinne gebraucht werden. Sowohl in Bozen als auch in Brixen

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1912 8
 
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