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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0098
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K. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

Die Antike ist in Rom bei der Chiesa Nuova gefunden worden, „nel far le fondamenta
delle nuove case18), dort wo ursprünglich Bildhauer ansässig waren und wo man eine große
Menge von Marmorblöcken, abozzierten und vollendeten Statuen und Handwerkszeug aus-
gegraben hat. Die Figur war arg beschädigt; beide Arme von den Schultern an und das
linke Bein vom Knie abwärts bis zu den Zehen beim Satyr, alle Füße und der Kopf des
Böckchens wurden von Ercole Ferrata ergänzt14); die Königin Christine von Schweden hat
dann das Stück erworben. Ein Datum für die Ausgrabung ist nicht überliefert. Doch wird
es wohl zwischen 1655 — dem Einzug der Königin in Rom —• und dem Ende der
Siebzigerjahre gewesen sein, da die erste Kopie nach der Figur angefertigt sein dürfte.
Über die weiteren Schicksale der Figur sind wir nur oberflächlich unterrichtet. Nach dem
Tode der Königin 168g kam die Sammlung an den Kardinal Azzolini;
dieser starb noch in demselben Jahre und hinterließ die Sammlung
seinem Neffen Pompeo Azzolini, der sie an den Prinzen Olivio Odescalchi,
den Neffen des Papstes Innocenz XI., verkaufte. Durch Erbschaft ging
sie dann an Baldassare Odescalchi-Erba über. Dann scheint die Samm-
lung geteilt worden zu sein; über den Bestand der Gemälde und ihren
Verkauf an den Herzog Philipp Orleans im Jahre 1721 hat Granberg15)
erschöpfende Dokumente publiziert. Für den übrigen Teil der Sammlung
weiß er nur anzugeben, daß König Philipp V. von Spanien ihn „um
1720“ um i2.ooo Dublonen gekauft hätte. Hübner16) gibt das Datum
noch etwas genauer; Philipp V. hätte sie bald nach seiner 1724 erfolgten
Abdankung erworben. Ich möchte diese Zahl noch etwas hinaufrücken.
Saly, der gleichfalls den Satyr kopierte, kam erst nach 1738 (wohl erst
1740) nach Rom; Saly führte die Arbeit ohne bestimmten Auftrag aus
und da kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die
Antike damals noch nicht weggekommen war, da ein Künstler wohl
den Aufenthalt in Rom benutzt haben wird, um nach Originalen zu
studieren. Die Sammlung blieb dann bis in die Dreißigerjahre des
XIX. Jahrhunderts im Erdgeschoß des königlichen Lustschlosses von
San Ildefonso (darum heißt die Figur bisweilen „der Faun von Ildefonso)
aufgestellt, bis sie nach Madrid gebracht wurde. Die Figur ist aus griechischem Marmor,
1-44 cm hoch. Klein17) setzt sie an die Wende vom III. zum II. Jahrhundert und erörtert ihr
Verhältnis zu dem sogenannten Pferdchenspieler; er hebt die Ähnlichkeit im Laufmotiv und
der Kopfwendung hervor und dagegen die Abweichungen in der Körpersenkung, die durch
die größere Last des Dionysosknaben im Vergleich zum Böckchen bestimmt werden. Bei
dem Pferdchenspieler, der Figur im Vatikan z. B.18), ist der freie Arm nach aufwärts gehoben
und die Hand trägt eine Schale, in die Dionysos eine Traube pressen wird; Klein be-
zeichnet diese und ähnliche Ergänzungen an den anderen Exemplaren dieses Typus als
leidige moderne Zutaten, da sie das ursprüngliche Motiv verwischen. Für Ferrata ließ auch
nur die Ergänzung des rechten Armes einen Spielraum, denn der linke war durch die drei
zu einander gefügten Beine des Böckchens bestimmt und seine Stellung kommt analog bei

13) Domentco de Rossi, Raccolta di Statue antiche
e moderne, Rom 1706. Taf. 122.

14) Pietro Sante Bartoi.i, zitiert bei Reinach Rep.

15) La Galdrie des Tableaux de la reine Christine de

Suide, 1897.

16) Die antiken Bildwerke in Madrid, Berlin 1862.
n) Wit.het.m Kt.ein, Geschichte der griechischen
Kunst. Bd. III, p. 230.

I8) Reinach, Repert. II, 130, 4.
 
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