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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0104
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E. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

Ansehen. Als König- Christian VII. im Jahre 1768 in Paris weilte, besuchte er auch dort
die Akademie: „Pendant les vingt minutes que M. le duc de Duras lui permit de s’ arreter
dans les salles de 1’ academie S. M. desira voir le petit Faune en marbre, le morceau de
reception de M. de Sally ... Ce petit Faune a de la reputation; 1’ academie, en le

montrant au jeune roi, le supplia d’ en agreer 1’ hommage, et S. M. 1’ accepta36). Die Nach-
richt klingt zuverlässig; doch spricht einiges gegen ihre Richtigkeit. Das Stück selbst
konnte ich in Dänemark nicht ermitteln; Direktor Bering Liisberg, an den ich mich brief-
lich gewendet hatte, war so liebenswürdig, Forschungen nach der Figur zu unternehmen,
die aber zu einem negativen Ergebnis geführt haben; er folgert, daß die Figur unter den
zahlreichen Kunstgegenständen gewesen sein muß, die 1794 beim Brand des Schlosses
Christiansborg zugrunde gegangen sind.

Es ist aber überhaupt zweifelhaft, ob die Figur damals wirklich in den Besitz König
Christians VII. überging. Denn in der „Description Sommaire des ouvrages de Peinture,
Sculpture et Gravüre, Exposes dans les Salles de 1’ Academie royale (Par M. D ***) von
178137) wird die Figur „Un jeune Faune tenant un chevreaux, par Saly“ noch genannt38);
sie stand in der Salle d’ Assemblee. Auch noch ein Inventaire de 1’ An II39) führt unter den
Marbres der Salle d’ Assemblee die Figur an: 527—44. „Un Faune tenant une biche . . . .
Sally“. Bald darauf aber wurde das Werk aus der Akademie entfernt: Am 19. November 1821
wurde „le faune tenant une biche, Sally“, der damals in den Depoträumen zu Versailles
mit anderen Aufnahmsstücken untergebracht war, M. Marechal auf dem Austauschweg
gegen ein Marmormedaillon Ludwigs XIV. von Girardon gegeben40). Seither ist das Stück
verschollen41).

In der „Description“ der Akademie von 1781 wird noch ein Gipsabguß erwähnt: Un
Satyre portant un chevreau sur ses epaules. Moulö sur 1’ antique —, der auch in der Salle
d’ Assemblee aufgestellt war. Die Gipsabgüsse nach dem Madrider Satyr waren nicht selten
und scheinen zum Bestand größerer Schulanstalten notwendig gehört zu haben. Das Pariser
Akademiestück kann möglicherweise schon ein Guß aus dem XVII. Jahrhundert gewesen
sein, der bald nach der Ausgrabung für den König hergestellt wurde42) und den Brüdern
Keller für den Bronzeguß gedient hat. In der Mannheimer Zeichnungsakaderpie43) war
auch ein Abguß des Ziegenträgers; er war „unter den Antiken samt denen Formen“, die
um 1759 aus Düsseldorf nach Mannheim gebracht wurden und nach und nach zu
Lehrzwecken für die Akademien in Düsseldorf und Mannheim und als Schmuckstatuen für
den Hof und den Lustgarten in Schwetzingen ausgegossen wurden. Ein Gipsformator wurde
angestellt, über den der Akademiedirektor Verschaffelt die Aufsicht führte. Der Satyr
wurde für das Badehaus in Schwetzingen gegossen, wo er in einer Nische beim Eingang
zum Badehaus, an der Nordostseite des Gebäudes aufgestellt ist. Die Figur44) stimmt mit

36) Grimm, Corröspondance 15 decembre 1768, abge-
druckt bei Dussieux, Les Artistes Fran$ais a PEtranger.
Paris 1856.

37) Abgedruckt bei M. Anatole de Montatglon,
Descriptions de P Academie Royale de Peinture et de
Sculpture etc. Paris 1893. S. 117 ff.

38) Montaiglon a. a. O. S. 148.

39) Abgedruckt bei Andräe Fontatne, Les Collections
de l’Accademie Royale . . . Paris 1910. S. 129 ff.

40) Courajod, Nouvelles archives de PArt fran^ais,

zitiert bei Fontaine a. a. O. S. 126, 162, 196.

41) Fontaine a. a. O. S. 138.

42) Vgl. Lecoy a. a. O. S. 229, Anm. 2.

43) Jos. Aug. Beringer, Geschichte der Mannheimer
Zeichenakadernie. Straßburg 1902. S. 16 ff.

44) Rudolf Silltb, Schloß und Garten in Schwetzin-
gen, Heidelberg 1907, S. 43 nennt den Satyr. Ich wandte
mich an den Mannheimer Altertumsverein, der meine An-
frage an sein Ehrenmitglied, Realschuldirektor Professor
A. I. Maier in Schwetzingen, weiterleitete; diesem verdanke
ich die Vergleichung des Schwetzinger Abgusses mit dem
Original. Die Figur ist in einer Nische mit Muschelornament
 
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