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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0111
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E. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

77

Auch vom Ziegenträgfer existiert eine
Bronzestatuette (Fig. 37), die Soldani54), der
Schüler des Ercole Ferrata, nach demselben
Prinzip, wie Antico seine Wiederholungen,
gearbeitet hat. Ich will die statuarischen
Abänderungen, die Antico seinem und sei-
ner Zeitgenossen Kunstwollen entsprechend
gegenüber dem Original vornahm, mit der
Charakteristik Wicherts65) zusammenfassen,
die an den Renaissancenachbildungen das
Streben, die Flächenwirkung zu einer Drei-
dimensionalität zu runden, betont56) — da
scheint Soldani bei seiner Satyrstatuette
darin noch weitere Fortschritte zu machen.
Das ganze Bewegungsmotiv ist neu durch-
lebt; der Baumstamm ist weggeblieben, das
Vorwärtsschreiten des leichten Körpers wird
hemmungslos erfaßt: und daneben bringen
die Drehung des Oberkörpers, die Wendung
des Kopfes retardierende Momente, die zur
Beruhigung des statuarischen Eindruckes
notwendig sind. Mit der Drehung des Ober-
körpers bekommt die Statuette eine neue
Front, die äußerlich schon durch die ver-
änderte Basis gekennzeichnet wird; diese
nimmt das charakterisierende Detail des weg-
gelassenen Baumstammes auf: Gras, Blätter
und Syrinx. Die Gesichtszüge des Satyrs
zeigen eine etwas süßliche Grazie, die Hände
feine, belebte Durcharbeitung; das mensch-
liche Haar und das Gelock des Tieres sind
malerisch behandelt.

54) Florenz, Museo Nazionale. Im Katalog von 1898

S. 400, Nr. 74: Fauno in atto di camminare, avente sulle
spalle un capretto. Statuetta in bronzo.

55) Wichert a. a. O. S. 103.

56) Bei vielen Statuetten des Antico kann diese Ten-
denz nachgewiesen werden; z. B. bei dem Merkur (Hermann,

T. XXXIX. Fig. 27, 28) mit der energischen Geste der
rechten Hand und dem Standmotiv, das gegenüber der
Antike (Fig. 26) in diesem Sinne verändert ist; oder bei
der Gruppe Herkules und Antäus (Taf. XL), bei der die
Hauptfronten der Leiber in einem Winkel zueinander stehen,
der bei der Antike (Fig. 43) mühsam vermieden ist. —
Um ein Beispiel zu geben, wie eine unserem Satyr verwandte
Antike im Cinquecento verändert wird: die Statuette in der
Sammlung J. Pierpont Morgan, London (abgebildet bei

Fig. 38 Ziegenträger, Bleifigur.
Wien, Sammlung Figdor

Wilhelm Bode, Die italienischen Bronzestatuetten der
Renaissance. III. Bd., CCXXVI) zeigt einen laufenden
Jüngling mit einem Kind über der linken Schulter und ist
angeregt von dem Pferdchenspielen der Sammlung Albani
entstanden; doch ist die Schreitstellung der Beine verändert,
indem das linke vorgesetzt ist und so das rechte Bein und
den ganzen Körper — der Satyr schiebt die rechte Schulter
vor — überschneidet.
 
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