Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

DOI Artikel:
Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0113
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
E. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Satyr

79

schlossenen Umfassung der Hauptansicht heraus — bei ihnen ist jede Bewegungslinie durch
eine zweite gleichlaufende gebunden, gemeinsam bilden sie das Parallelogramm, in dem
sich alle Kräfte das Gleichgewicht halten. Neben diesen Hauptzügen spricht vieles Detail
für Donners eigenhändige Arbeit; so die kräftige, in aller Lebendigkeit vereinfachte Durch-
bildung des Torsos, die charakteristische Modellierung der rechten Hand mit dem abge-
streckten kleinen Finger (von der Antike abweichend), die harte Behandlung der Augenlider,
die Bildung der Zehen und ihrer Nägel. Doch halte ich wenig von derartig äußerlicher Hand-
schrift eines Künstlers bei Gußarbeiten und führe diese Einzelzüge nur an, um das Qualitäts-
urteil, das mich zur Zuschreibung an Donner brachte, vielleicht um ein kleines zu entlasten.

Fig. 39 Merkur und Putto, Bleistatuette von G. R. Donner.
Klosterneuburg, Stiftsmuseum.

Daß der Künstler, daß Raphael Donner die Antike wenigstens im Abguß gesehen hat,
kann als sicher angenommen werden. Die äußerliche Einhaltung des Motivs spricht dafür.
Als Gegenbeispiel soll hier die Donnersche Statuette, Merkur und Putto, im Stiftsmuseum
in Klosterneuburg (Fig. 39) angeführt werden, bei deren Konzeption der Künstler sich wohl nur
durch einen Kupferstich anregen ließ68). Merkur steht mit stark ausgebogener rechter Hüfte
und nach der linken Schulter zurückgeneigtem Kopf und legt den linken Unterarm auf eine
Baumstütze. Die rechte Hand hielt wohl den Petasus. Zu seinen Füßen sitzt ein Putto, der
mit des Gottes Flügelschuhen hantiert; der Gestus ist undeutlich; das gehobene rechte
Ärmchen spricht fast dafür, als ob die kleine Hand die Nadel führte und die Flügel an die

5S) Über die Abweichungen vom Kupferstich, die zu dieser Konzeption geführt haben, vgl. Kunstgeschichtliches
Jahrbuch der Z. K. 1907, S. 90.
 
Annotationen