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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Tietze-Conrat, Erica: Der Böckchen tragende Satyr: ein Beitrag zur Frage der skulpturalen Kopie und zum Oeuvre Georg Raphael Donners
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0114
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8o

E. Tietze-Conrat Der Böckchen tragende Saty:

Riemen befestigte. In der Galerie Giustiniani in Rom befand sich eine Merkurstatue, die
Clarac irrtümlich unter seinen Antiken bringt, die aber durch zwei Stichwiederholungen,
die eine (Fig. 40) in dem Kupferstich werk Galleria Giustiniani59), die andere in J. de
Sandrart in Stockau, Admirandae Statuariae60) als Arbeit Duquesnoys bezeugt ist. Bei
Sandrart heißt es: „Mercurius vero hic in palatio Justinianeio, cuius alatos pedes Cupido
vinculis constringit, opus est .... artificis Francisci du Quesnoy Bruxellani . . . .“ Es war
mir nicht möglich, den jetzigen Standort der Duquesnoyschen Figur zu ermitteln, doch
glaube ich sicher annehmen zu können, daß beide Stichnachbildungen die Figur im
Gegensinne zeigen: denn in der Liechtensteingalerie in Wien ist eine Bronzestatuette, die

den Duquesnoyschen Merkur im Gegensinne der
Stiche wiederholt und also wohl in direkter Nach-
ahmung des Originals entstanden sein muß. Diese
Statuette (Fig. 41) ist im letzten Zimmer des Haupt-
•stockes, von dem aus der Aufgang in den Ober-
stock geht, aufgestellt; auch diesem Merkur61)
ist der Petasus weggebrochen und es fehlt auch
der Putto zu Füßen; ein Loch in der Basis und
eines im Stamm zeigen an, wo der Putto einmal
(mittels Schrauben) befestigt war. Das inhaltliche
Motiv — Amor befestigt die Flügelschuhe an die
Füße des Merkur — ist so auffällig, daß man
annehmen muß, Donner sei bei der Konzeption
der Klosterneuburger Figur von diesem Duques-
noyschen Werk angeregt worden. Und trotz der
Verschiedenheit des Stellungs- und Bewegungs-
motivs zeigt doch die Beinstellung des Merkur,
das Sentiment, das sich in der Biegung und Lässig-
keit des Körpers ausspricht, bei Stich und Blei-
statuette so viel Übereinstimmung, daß man über
die rein inhaltliche Anregung hinaus auch eine
formale annehmen kann. Doch wie frei ist diese
Fig. 40 Kupferstich nach dem Merkur des Anlehnung an den Stich gegenüber der einge-
Duquesnoy aus „Galleria Giustiniani“ henden Übernahme des eindrucksvollen plastischen

Vorbildes. Ob Donner bei seiner Italienreise, die
ich in die letzten Jahre vor 1715 ansetze, bis Rom gekommen ist und dort den antiken
Satyr im Original gesehen hat oder ob ihm nur ein Gipsabguß bekannt wurde, kann nicht
entschieden werden. Keinesfalls war es der Prager Gipsabguß, der ihn angeregt hat,
wenn es auch sichergestellt ist, daß dieser zu Ende des XVIII. Jhs. in Wien war: der
Baumstumpf der Donnerschen Figur stimmt, trotzdem die Hirtentasche fehlt, zu auffällig
mit der antiken Stütze überein.

59) 1640, II. Bd. 84. Bezeichnet: C. M. G. inc. — Franus
du Quesnoy Bruxis sculptor fecit.

60) Nürnberg 1680, Nr. 40. Bezeichnet: Sandrart d.—
C. G. Amerling sculp.

61) Es ist diese Statuette wohl nach der Beschreibung
und nach dem angeführten Pendant „Apollo appogiato ad

un tronco con Cupido“ mit der bei Vincenzo Fanti (Des-
crizione completa di tutto ciö che ritrovasi nella Galleria
. . .. Lichtenstein, Vienna 1767) I 2, 36 genannten: Una statua
antica di Bronzo rappresentante un Giovane Appoggiato ad
un tronco, alta piedi I once I0-|- — zu identifizieren.
 
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