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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Frizzoni, Gustavo: Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde in der fürstlich Liechtensteinschen Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0118
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Gustav Frtzzoni Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde usw.

nämlich ein ganz ähnliches Werk, nur in viel kleinerem Maßstab, welches folgender-
weise bezeichnet ist: Peregrinus Tibaldi Bonon-faciebat Anno Aetatis suae

XX 7° MDXLVIII. Über die Echtheit dieses Gemäldes kann kein Zweifel bestehen und
so wurde es denn auch neulich als Beispiel eines bedeutenden Gemäldes aus der Richtung
Michelangelos in einem Saale der Engelsburg ausgestellt. Hingegen dürfte das Wiener
Exemplar doch wahrscheinlich nur eine gute alte Nachbildung sein, schon aus dem

Grunde, daß eine Inschrift auf der Rück-
seite Tibaldi nicht als Ausführer wie
auf dem römischen Bilde, sondern nur
als Erfinder angibt. Es heißt da: Pere-
grinus Tibaldus Bonon. inventor
Anno MDLX.

Nahe dabei befindet sich ein an-
mutiges Kirchenbild von ungefähr glei-
chem Maßstabe, auf welchem Maria dar-
gestellt ist, das nackte Kind auf dem
Schoße haltend. Das Christkind erhebt
die rechte Hand, dem ehrwürdigen vor
ihm knienden hl. Antonius den Segen zu
erteilen. Auf der andern Seite sitzt der
hl. Joseph und obenan auf den Vorsprün-
gen einer malerischen Felsenwand sehen
wir zwei anmutige Engelskinder, das eine
auf einer Harfe, das andere auf der Man-
doline spielend. Es wird unbegründeter-
weise dem Schüler Raphaels Pierino
del Vaga zugeschrieben, gehört aber
augenscheinlich einer ganz andern Rich-
tung an, welche vor allem auf einen
norditalienischen Maler deutet. Wer mit
ihren Werken vertraut ist, wird schon
durch die allgemeine Linienführung an
Gaudenzio Ferrari und seine Nachfolger
gemahnt. Betrachtet man weiter den
eigenartigen Typus der Köpfe, so findet
man darin die Hand des Piemonteser
Künstlers Guglielmo Caccia, nach seinem Geburtsort Moncalvo genannt (geb. um 1568
gest. 1625). Verschiedene seiner Werke können zum Vergleiche herangezogen werden.
Ich bringe hier die Abbildung eines der Gemälde aus der k. Galerie zu Turin: „Hl. Franz
die Stigmaten empfangend“, wo besonders die Engelskinder wie leibhaftige Brüder der-
jenigen des vorangehenden Bildes aussehen.

Auch im ersten Bildersaal treten uns gar manche Probleme entgegen, die nicht immer
leicht mit Bestimmtheit zu lösen sind, nicht nur, weil eine Verwechselung eines Meisters
mit dem andern öfter möglich ist als man anzunehmen pflegt, sondern auch weil der Zustand der
Gemälde nicht immer derart ist, daß man mit Sicherheit deren Urheber angeben könnte.

Fig. 42 Anbetung der Hirten. Nach Pellegrino Tibaldi.
Wien, Galerie Liechtenstein
 
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