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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Frizzoni, Gustavo: Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde in der fürstlich Liechtensteinschen Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0123
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Gustav Frizzoni Einige kritische Bemerkungen über italienische Gemälde usw.

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Sehr ratsam wäre es wohl, ein Bildnis näher zu untersuchen, welches etwas hoch an
der Eingangswand hängt, nicht gut erhalten ist und in dem Galerieverzeichnis als Werk
des selten vorkommenden Jacopo de Barbari gilt. In der Überzeugung, daß eine strengere
Kritik diese Bestimmung keineswegs aufrecht erhalten kann, möchte ich auf eine andere
Schule hinweisen, nämlich auf die ferraresisch-bolognesische vom Ende des XV. Jhs. Ja,
täusche ich mich nicht, so dürfte dieses Bildnis auf Lorenzo Costa oderseine Schule zurück-
zuführen sein, da ich darin die schlichte, ihm eigentümliche Art, die Gesicht_szüge darzu-
stellen, zu erkennen glaube.

Noch interessanter wäre es, an-
geben zu können, wer der Dargestellte
in diesem Dreiviertelkopf sei, und da
läge die Vermutung nahe, es handle
sich um eines der verschiedenen Bild-
nisse des damals in Bologna herrschen-
den Giovanni Bentivoglio II. Lorenzo
Costa stand bekanntlich in seinem
Dienste und hat ihn selbst mehrmals
gemalt. Ich verweise auf eine gleich-
zeitige Medaille von Sperandio, mit
dem Profil Giovannis, welches einiger-
maßen an den Liechtensteinschen Kopf
erinnert, obwohl ich nicht behaupten
möchte, daß die Züge in allem genau
stimmen. Immerhin müßte man, wie
gesagt, vor allem über den etwas be-
denklichen Zustand des Gemäldes ins
klare kommen.

Besser steht es mit einem andern,
nicht weit davon hängenden männlichen
Bildnis, welches den Namen Francesco
Francia trägt. Obwohl ich die Art
und Weise dieses Meisters keineswegs
darin erblicken kann, muß ich doch
anerkennen, daß es sich um ein sehr
gutes und interessantes Werk handelt,
das aber eher in die Nähe von Peru-
gino und von Raffael zu setzen wäre. Eine Frage, deren Lösung den Kunstforschern
Wiens sehr anempfohlen werden soll. In dem mir vorliegenden älteren Katalog von 1885
ist es bereits als Francia folgendermaßen charakterisiert: Portrait eines Herzogs von
Urbino(?). Brustbild eines Mannes mit dunklem Haar und länglichem Gesicht,
schwarzer Mütze, schwarzem rothgefüttertem Rock. Der Hintergrund Land-
schaft. Lebensgröße H. 0-55 — o‘45. Früher zu Bologna, Sammlung Bovio; früher
als Raphael geltend.

Lassen wir die Angabe über die Person des Dargestellten, die mehr als zweifelhaft
erscheint, bei Seite. Doch die Verwandtschaft mit Raffael dürfte einleuchtender sein

Fig. 44 Raffael: Bildnis. Galerie Borghese
 
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