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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 6.1912

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Jonas, J. E.: Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.19094#0256
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111

J. E. Jonas Bericht über die Ausgrabungsarbeiten auf der Kaiserburg zu Eger im Jahre 1911

I I 2

der obere Eingang nur dem Zwecke dienen konnte,
einen direkten bequemen Zugang vom Palas
aus zu ermöglichen. Dasjenige Portal, welches aus den
Gemächern des Palashauptgeschosses hinausgeführt
hat, liegt einige Meter westlich von der Kapelle ober-
halb der in die unteren Palasräume führenden Rampe.
Man darf sich also die Verbindung mit der Doppel-
kapelle etwa in der Weise denken, daß man aus be-
sagtem Palasportale oberhalb der Rampe Stufen auf-
wärts zu steigen hatte, bis man auf ein in Höhe der

Fig. 53 Obere Kapelle, Südosteckdienst, Kapitell
(Nordwestseite)

Türschwelle des Kapelleneingangs gelegenes Podest
gelangte. Von hier aus kam man dann unmittelbar
in die Kapelle. Es ist aus Zweckmäßigkeitsgründen
nicht ausgeschlossen, daß von diesem Podeste aus
ein zweiter Treppenarm zum Burghofe hinabführte.
Da sich keinerlei Reste einer solchen Konstruktion
nachweisen lassen, darf man sich dieselbe in Holz
ausgeführt vorstellen87 *). Die auf dem Plane von

87) Ich zitiere die bezügliche Stelle aus dem Grassold:
„Durch einen langen auswärts gewölbten Gang gelangte

zirka 1672 (Fig. 4) ersichtliche westliche Treppen-
anlage läßt sich nur in der Weise erklären, daß der
östliche Treppenarm vom Burghofe über ein Podest
zum oberen Kapelleneingange hinaufführte, während
der westliche an der Stelle der jetzigen Rampe vom
Burghofe zum untersten Palasgeschosse hinabstieg.
Es handelt sich aber hier zweifellos um eine viel
spätere Anfügung.

Die obere Kapelle hat im Laufe der Zeit ver-
schiedene Veränderungen erfahren. So passen die
vier als Mittelstützen dienenden Marmorsäulen
ihren Größenverhältnissen nach nicht in die jetzige
Anlage. Darum hat man sie auch, um die Höhenunter-
schiede auszugleichen, ganz unglücklich auf hohe
Grauitsockel (Fig. 52) gestellt. Das gotische Rippen-
gewölbe dürfte nicht vor 1225 entstanden sein. Die
stark profilierten Abakusplatten (Fig. 53) sowohl
an den Säulen wie an den Diensten machen einen
noch jüngeren Eindruck, während die Säulen und
Dienste selbst recht wohl den letzten Regierungs-
jahren Friedrich Barbarossas zugewiesen werden
dürfen. Ein einziger Eckdienst zeigt noch die
offenbar alte Form der Kapitellaufsätze, näm-
lich der in der Nordostecke (Fig. 54). Ich bin ge-
neigt anzunehmen, daß der Brand vom 16. Mai
1 2708S), durch welchen die ganze Stadt ein Raub
der Flammen wurde, und wobei 150 Menschen das
Leben verloren haben89), ebenso wie ja der spätere,
bereits beschriebene von 1472 (Vgl. Anm. 39) auch
auf die Burg und die Kapelle übergegriffen hat, und
daß bei dieser Gelegenheit das Dach und das alte
romanische Gewölbe eingestürzt ist, was dann meines
Erachtens Rudolf von Habsburg die Veranlassung
zu einem neuen Ausbau der oberen Kapelle gab,
und zwar in der stabileren Bauweise jener Zeit.

In Anbetracht der unrichtigen Größenverhält-
nisse der Mar morSäulen halte ich Importierung90)
derselben im vorliegenden Falle nicht für ausge-
schlossen, zumal außer bei dem nordwestlichen Ka-
pitell Abweichungen in der Art der plastischen Be-
handlung unverkennbar sind.

Der Fußboden der oberen Kapelle hat
ebenso wie der der unteren früher eine andere Lage
als der jetzige gehabt. Dies erkennt man ohne

man in den untern Teil des Schlosses ... so wie man
durch einen, am äußeren Ende des Saales gelegenen Ausgang
über jenen gewölbten Eingang hinweg, in die obere Kapelle
gelangen konnte.“

8S) Zeit des Interregnums 1254—1273.

89) Siehe Pröckt..

90) Ich empfehle deshalb an, zur Ermittlung der Pro-
venienz des Materials einen Dünnschliff nebst Analyse aus-
führen zu lassen.
 
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