Dagobert Frey Der Dora von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini
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1464—1465 keine Turmgeschosse mehr über den Seitenflügeln, wie dem Stadtmodell des
hl. Biagio (in der Kirche S. Biagio) zu entnehmen ist97).
Eine Bauführung Michelozzos vor Giorgios Berufung schließt die ununterbrochene
Folge von Ratsbeschlüssen aus. Es scheint somit die Annahme wahrscheinlich, daß gleichzeitig
mit Giorgio noch ein anderer in den neuen Renaissanceformen bewanderter Bildhauer und
Architekt, ein Schüler Donatellos, beschäftigt war. Wer dies gewesen sein konnte, darüber
fehlt uns jede Nachricht. Stilistische Ähnlichkeiten und innere Verwandtschaft der Formen-
sprache scheinen mir auf einen Künstler zu weisen, der bald darauf mit einer bedeutenden
selbständigen Aufgabe in Dalmatien betraut
wird. Es ist dies Niccolö di Giovanni
Fiorentino, dem im Verein mit Andrea
Alexi di Durazzo am 4. Jänner 1468 der
Bau der Orsinikapelle in Trau übertragen wird.
Die Formensprache in Ragusa ist im
Figuralen und in der Architektur noch un-
ausgereift, befangen in der Nachahmung des
Vorbildes und ohne persönliche Selbständig-
keit, ein Umstand, der natürlich auch die
Zuweisung an eine bestimmte Persönlichkeit
sehr erschwert. In Trau ist der donatelleske
Einfluß viel persönlicher verarbeitet, während
mir die spätesten Arbeiten in Sebenico noch
einen weiteren Schritt in der Individuali-
sierung zu bedeuten scheinen. Hier dominiert
die Architektur und die Bildhauerarbeit ist
ihr vollständig- untergeordnet, ja sogar dort
von ihr beherrscht, wo die Bildhauerarbeit
Selbständigkeitsberechtigung besitzt, wie an
dem Relief von Valverde. Dies ist eine Ent-
wicklungslinie, die mir insoferne in den Ra-
gusanerarbeiten vorbereitet scheint, als auch
hier die Architektur auf viel höherem Niveau
steht als die figurale Plastik. Diese stilkritischen Momente berechtigen allerdings nur in-
soweit, die donatellesken Arbeiten am Rektorenpalast dem Meister Niccolö zuzuschreiben,
als bisher keine andere Persönlichkeit in Dalmatien nachweisbar ist, die diesem Stilkreis
angehört und keine anderen Arbeiten von ähnlichem stilistischen Charakter mir bekannt
sind, die nicht mit dem Meister Niccolö in Zusammenhang zu bringen wären.
Neben der Restaurierung des Rektorenpalastes beschäftigte sich Meister Giorgio in
Ragusa mit Befestigungsbauten. Nach seinem Entwürfe wurde der Mincettaturm ausgeführt,
noch heute ein Wahrzeichen der Stadt, der die Mauern an der Landseite an ihrer höchsten
Stelle bekrönt, und der Turm von S. Katarina, ebenfalls ein Festungswerk an der Meer-
97) Dieses muß aus derZeit zwischen I480 und 1520 beben heimgesucht war, ist besonders zu beachten, daß das
stammen, da bereits der Mincettaturm (1464) und der Uhr- Stadtmodell vor dieser Katastrophe angefertigt wurde, da
türm (1480), aber noch nicht S. Salvatore (1520) darauf man auf eine Veränderung des Aufbaues des Rektoren-
abgebildet sind. Da 1520 Ragusa von einem heftigen Erd- palastes nach diesem Elementarereignisse denken könnte.
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1464—1465 keine Turmgeschosse mehr über den Seitenflügeln, wie dem Stadtmodell des
hl. Biagio (in der Kirche S. Biagio) zu entnehmen ist97).
Eine Bauführung Michelozzos vor Giorgios Berufung schließt die ununterbrochene
Folge von Ratsbeschlüssen aus. Es scheint somit die Annahme wahrscheinlich, daß gleichzeitig
mit Giorgio noch ein anderer in den neuen Renaissanceformen bewanderter Bildhauer und
Architekt, ein Schüler Donatellos, beschäftigt war. Wer dies gewesen sein konnte, darüber
fehlt uns jede Nachricht. Stilistische Ähnlichkeiten und innere Verwandtschaft der Formen-
sprache scheinen mir auf einen Künstler zu weisen, der bald darauf mit einer bedeutenden
selbständigen Aufgabe in Dalmatien betraut
wird. Es ist dies Niccolö di Giovanni
Fiorentino, dem im Verein mit Andrea
Alexi di Durazzo am 4. Jänner 1468 der
Bau der Orsinikapelle in Trau übertragen wird.
Die Formensprache in Ragusa ist im
Figuralen und in der Architektur noch un-
ausgereift, befangen in der Nachahmung des
Vorbildes und ohne persönliche Selbständig-
keit, ein Umstand, der natürlich auch die
Zuweisung an eine bestimmte Persönlichkeit
sehr erschwert. In Trau ist der donatelleske
Einfluß viel persönlicher verarbeitet, während
mir die spätesten Arbeiten in Sebenico noch
einen weiteren Schritt in der Individuali-
sierung zu bedeuten scheinen. Hier dominiert
die Architektur und die Bildhauerarbeit ist
ihr vollständig- untergeordnet, ja sogar dort
von ihr beherrscht, wo die Bildhauerarbeit
Selbständigkeitsberechtigung besitzt, wie an
dem Relief von Valverde. Dies ist eine Ent-
wicklungslinie, die mir insoferne in den Ra-
gusanerarbeiten vorbereitet scheint, als auch
hier die Architektur auf viel höherem Niveau
steht als die figurale Plastik. Diese stilkritischen Momente berechtigen allerdings nur in-
soweit, die donatellesken Arbeiten am Rektorenpalast dem Meister Niccolö zuzuschreiben,
als bisher keine andere Persönlichkeit in Dalmatien nachweisbar ist, die diesem Stilkreis
angehört und keine anderen Arbeiten von ähnlichem stilistischen Charakter mir bekannt
sind, die nicht mit dem Meister Niccolö in Zusammenhang zu bringen wären.
Neben der Restaurierung des Rektorenpalastes beschäftigte sich Meister Giorgio in
Ragusa mit Befestigungsbauten. Nach seinem Entwürfe wurde der Mincettaturm ausgeführt,
noch heute ein Wahrzeichen der Stadt, der die Mauern an der Landseite an ihrer höchsten
Stelle bekrönt, und der Turm von S. Katarina, ebenfalls ein Festungswerk an der Meer-
97) Dieses muß aus derZeit zwischen I480 und 1520 beben heimgesucht war, ist besonders zu beachten, daß das
stammen, da bereits der Mincettaturm (1464) und der Uhr- Stadtmodell vor dieser Katastrophe angefertigt wurde, da
türm (1480), aber noch nicht S. Salvatore (1520) darauf man auf eine Veränderung des Aufbaues des Rektoren-
abgebildet sind. Da 1520 Ragusa von einem heftigen Erd- palastes nach diesem Elementarereignisse denken könnte.