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Dagobert Frey Der Dom von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini
erhalten, und es gelang Gianuizzi nicht, in den dortigen Archiven irgend eine Nachricht
über Giorgios Aufenthalt aufzufinden.
Nach Giorgios Tode kam es zu einem Prozeß zwischen dem Augustinerkloster und
dessen Sohn Paolo, in dem dieser am 23. Juni 1487 Niccolö di Bartolomeo de Scacchis
di Ancona zu seinem Prokurator in lite ernennt. Der Prozeß wurde unter dem Vorsitz des
Bischofs Domno Benicasa de Benicasa ausgetragen. Der Ausgang ist nicht bekannt.
Über den Stand der von Giorgio unvollendet hinterlassenen Arbeit erhalten wir ge-
nauen Aufschluß aus dem Vertrag vom 14. August 1493, der zur Vollendung des Portals
mit den famosissimi lapidicine magister Michael Jo-
hannis de Mediolano et magister Johannes Venetus
geschlossen wird. Diesem Vertrage zufolge, der eine
genaue Beschreibung der Arbeiten enthält, sind fol-
gende Bauteile von Meister Giorgio selbst aus-
geführt: Die beiden Säulen, denen aus stilistischen
Gründen die Kapitäle zuzuzählen sind, das Blatt-
karnies, die unteren Tabernakel mit ihren Fi-
guren, die als „initiate“ bezeichnet werden, das
Relief der Verkündigung Mariä, das noch zu
vollenden und zu versetzen ist, das Gesims dar-
über und das Relief des heiligen Augustinus mit
den beiden Engeln unter dem Baldachin, welche
teils vollendet, teils erst zu vollenden waren.
Sicher ist die ungeschickte Drapierung und vor
allem deren oberer Abschluß nicht von Giorgio
ausgeführt worden.
Der Vollendung des Bauwerks wurde in dem
Kontrakt der ursprüngliche Entwurf Giorgios zu-
grunde gelegt. Die stereotype Phrase bei jedem
einzelnen Posten der noch auszuführenden Arbeiten
lautet: prout designatum est in dicto designo
während es an anderer Stelle heißt: (porta) incepta
per magistrum Georgium et designata in dicto de-
signo. Das Versprechen der beiden Meister, das
Portal in der Wirkung schöner zu gestalten, als es begonnen wurde, ist eben nur als Groß-
sprecherei anzusehen, mit der sie ihre Kunstfertigkeit anrühmen.
Die tatsächliche Ausführung weicht jedoch in wesentlichen Punkten von der Beschreibung
des Kontraktes ab. In strengem Anschluß an diesen und somit im Sinne des ursprünglichen
Projektes sind folgende Bauteile ausgeführt: Die oberen Tabernakel, die sich von den
unteren nur durch ein für die spätere Entstehungszeit charakteristisches Detail unter-
scheiden. Die unteren Figurennischen sind von Halbsäulchen, die oberen von ornamentierten
Pilastern flankiert. Ferner das Epitaph unter dem Relief des hl. Augustin, die Büste als
Beschluß der Baldachindrapierung, der mit Lorbeerblättern dekorierte Dienst, bastone cum
foleis, der sich über dem Relief im Spitzbogen schließt, das Rundfenster, in das vor der
Vermauerung Säulchen eingestellt waren, und die Bekrönung mit der Büste Gott-Vaters,
die jetzt in die Vermauerung des Fensters eingelassen ist.
Fig. 80 Büste Gott-Vaters von S. Agostino
in Reccanati
Dagobert Frey Der Dom von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini
erhalten, und es gelang Gianuizzi nicht, in den dortigen Archiven irgend eine Nachricht
über Giorgios Aufenthalt aufzufinden.
Nach Giorgios Tode kam es zu einem Prozeß zwischen dem Augustinerkloster und
dessen Sohn Paolo, in dem dieser am 23. Juni 1487 Niccolö di Bartolomeo de Scacchis
di Ancona zu seinem Prokurator in lite ernennt. Der Prozeß wurde unter dem Vorsitz des
Bischofs Domno Benicasa de Benicasa ausgetragen. Der Ausgang ist nicht bekannt.
Über den Stand der von Giorgio unvollendet hinterlassenen Arbeit erhalten wir ge-
nauen Aufschluß aus dem Vertrag vom 14. August 1493, der zur Vollendung des Portals
mit den famosissimi lapidicine magister Michael Jo-
hannis de Mediolano et magister Johannes Venetus
geschlossen wird. Diesem Vertrage zufolge, der eine
genaue Beschreibung der Arbeiten enthält, sind fol-
gende Bauteile von Meister Giorgio selbst aus-
geführt: Die beiden Säulen, denen aus stilistischen
Gründen die Kapitäle zuzuzählen sind, das Blatt-
karnies, die unteren Tabernakel mit ihren Fi-
guren, die als „initiate“ bezeichnet werden, das
Relief der Verkündigung Mariä, das noch zu
vollenden und zu versetzen ist, das Gesims dar-
über und das Relief des heiligen Augustinus mit
den beiden Engeln unter dem Baldachin, welche
teils vollendet, teils erst zu vollenden waren.
Sicher ist die ungeschickte Drapierung und vor
allem deren oberer Abschluß nicht von Giorgio
ausgeführt worden.
Der Vollendung des Bauwerks wurde in dem
Kontrakt der ursprüngliche Entwurf Giorgios zu-
grunde gelegt. Die stereotype Phrase bei jedem
einzelnen Posten der noch auszuführenden Arbeiten
lautet: prout designatum est in dicto designo
während es an anderer Stelle heißt: (porta) incepta
per magistrum Georgium et designata in dicto de-
signo. Das Versprechen der beiden Meister, das
Portal in der Wirkung schöner zu gestalten, als es begonnen wurde, ist eben nur als Groß-
sprecherei anzusehen, mit der sie ihre Kunstfertigkeit anrühmen.
Die tatsächliche Ausführung weicht jedoch in wesentlichen Punkten von der Beschreibung
des Kontraktes ab. In strengem Anschluß an diesen und somit im Sinne des ursprünglichen
Projektes sind folgende Bauteile ausgeführt: Die oberen Tabernakel, die sich von den
unteren nur durch ein für die spätere Entstehungszeit charakteristisches Detail unter-
scheiden. Die unteren Figurennischen sind von Halbsäulchen, die oberen von ornamentierten
Pilastern flankiert. Ferner das Epitaph unter dem Relief des hl. Augustin, die Büste als
Beschluß der Baldachindrapierung, der mit Lorbeerblättern dekorierte Dienst, bastone cum
foleis, der sich über dem Relief im Spitzbogen schließt, das Rundfenster, in das vor der
Vermauerung Säulchen eingestellt waren, und die Bekrönung mit der Büste Gott-Vaters,
die jetzt in die Vermauerung des Fensters eingelassen ist.
Fig. 80 Büste Gott-Vaters von S. Agostino
in Reccanati