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Dagobert Frey Der Dora von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini
Während der Torbau bis zum Hauptgesims damit als eine florentinische Arbeit
Giovanni Rossis bezeichnet wird, steht der Giebelaufbau sicher unter venezianischem
Einfluß und ist einige Jahrzehnte nach dem unteren Teile ausgeführt. Schließlich gehören
die stehenden Figuren sicherlich einem dritten Meister an (die auf dem linken Pfeiler hat
einen eingesetzten antiken Kopf). Der Giebel zeigt
bei einer echt gotischen Komposition eine eigen-
tümliche Vermengung von gotischen und Renais-
sanceformen, die jedoch vollkommen einheitlich ver-
schmolzen sind. Es liegt jene persönliche Eigenart und
schöpferische Kraft darin, die über jedem strengen
Stildogma steht und die auch dem Dom in Sebenico
seinen eigentümlichen fesselnden Reiz verleiht. Die
in den Raum glücklich hineinkomponierte Bewegung
des aufgebäumten Pferdes, die ganz aus architektoni-
schem Empfinden von der emporschnellenden elasti-
schen Linie des Giebels inspiriert erscheint, die gleiche
Durchführung der Rüstung und des Zaumzeuges wie
beim Reiter auf der Loggia, schließlich die charakte-
ristische Andeutung der Felsenlandschaft scheinen mir
für Giorgios Autorschaft zu sprechen. Auch die Archi-
tekturdetails bestätigen dies, so das Motiv der unten
und oben im Bogen geschlossenen Kanneluren der
Fialen, das wir am Palazzo Foscolo in Sebenico wieder
finden, das kräftige Profil, das den Fialenkörper teilt
und mit seinen unteren Gliedern das Giebelprofil bildet,
und an die Arkade des Palazzo vescovile in Pago er-
innert. Die Vereinigung des Rundbogens mit dem
Spitzbogen oder dem gebrochenen Giebel ist ein
Problem, das, wenn auch anders gestellt, auch den
Anconitaner Portalbauten zugrunde liegt.
Belege für die Anwesenheit Giorgios in Tolen-
tino fehlen mir leider.
Kleinere Arbeiten, die seinem Schulkreise ange-
hören, finden sich in Fermo: Das Portal des Ospedale
(Fig. 83), mit einer flamboyanten Blattarchivolt im Spitz-
bogen und der Büste Gott-Vaters über der Scheitel- p.g_ g3 Portal des 0spedale civile in Fermo
blume; ferner ein Relief mit der Darstellung der Ver-
kündigung Mariä, das ebenfalls vom Spital stammt, jetzt aber im Museum aufgestellt ist
und eine starke Beeinflussung durch die gleiche Darstellung an der Porta S. Agostino zeigt.
Giorgio Orsinis kunsthistorische Stellung
Die Entwicklung der Baukunst in Dalmatien während des Mittelalters geht keineswegs
parallel mit jener der italienischen Adriaküste und die einer oberflächlichen Betrachtung
sich aufdrängende Ansicht, sie bloß als einen provinziellen Ableger der venezianischen Kunst
Dagobert Frey Der Dora von Sebenico und sein Baumeister Giorgio Orsini
Während der Torbau bis zum Hauptgesims damit als eine florentinische Arbeit
Giovanni Rossis bezeichnet wird, steht der Giebelaufbau sicher unter venezianischem
Einfluß und ist einige Jahrzehnte nach dem unteren Teile ausgeführt. Schließlich gehören
die stehenden Figuren sicherlich einem dritten Meister an (die auf dem linken Pfeiler hat
einen eingesetzten antiken Kopf). Der Giebel zeigt
bei einer echt gotischen Komposition eine eigen-
tümliche Vermengung von gotischen und Renais-
sanceformen, die jedoch vollkommen einheitlich ver-
schmolzen sind. Es liegt jene persönliche Eigenart und
schöpferische Kraft darin, die über jedem strengen
Stildogma steht und die auch dem Dom in Sebenico
seinen eigentümlichen fesselnden Reiz verleiht. Die
in den Raum glücklich hineinkomponierte Bewegung
des aufgebäumten Pferdes, die ganz aus architektoni-
schem Empfinden von der emporschnellenden elasti-
schen Linie des Giebels inspiriert erscheint, die gleiche
Durchführung der Rüstung und des Zaumzeuges wie
beim Reiter auf der Loggia, schließlich die charakte-
ristische Andeutung der Felsenlandschaft scheinen mir
für Giorgios Autorschaft zu sprechen. Auch die Archi-
tekturdetails bestätigen dies, so das Motiv der unten
und oben im Bogen geschlossenen Kanneluren der
Fialen, das wir am Palazzo Foscolo in Sebenico wieder
finden, das kräftige Profil, das den Fialenkörper teilt
und mit seinen unteren Gliedern das Giebelprofil bildet,
und an die Arkade des Palazzo vescovile in Pago er-
innert. Die Vereinigung des Rundbogens mit dem
Spitzbogen oder dem gebrochenen Giebel ist ein
Problem, das, wenn auch anders gestellt, auch den
Anconitaner Portalbauten zugrunde liegt.
Belege für die Anwesenheit Giorgios in Tolen-
tino fehlen mir leider.
Kleinere Arbeiten, die seinem Schulkreise ange-
hören, finden sich in Fermo: Das Portal des Ospedale
(Fig. 83), mit einer flamboyanten Blattarchivolt im Spitz-
bogen und der Büste Gott-Vaters über der Scheitel- p.g_ g3 Portal des 0spedale civile in Fermo
blume; ferner ein Relief mit der Darstellung der Ver-
kündigung Mariä, das ebenfalls vom Spital stammt, jetzt aber im Museum aufgestellt ist
und eine starke Beeinflussung durch die gleiche Darstellung an der Porta S. Agostino zeigt.
Giorgio Orsinis kunsthistorische Stellung
Die Entwicklung der Baukunst in Dalmatien während des Mittelalters geht keineswegs
parallel mit jener der italienischen Adriaküste und die einer oberflächlichen Betrachtung
sich aufdrängende Ansicht, sie bloß als einen provinziellen Ableger der venezianischen Kunst