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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 7.1913

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Tietze, Hans: Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl
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https://doi.org/10.11588/diglit.28308#0214
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i74

Hans Tietzk. Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl

Fig. 86 Christus am Ölberg. Stift Schlägl

seits so ang'eorrlnet gewesen sein, daß sie in zwei Vertikalreihen neben- oder auch hinter-
einander standen; die Bildfolge ist aus einem bescheiden dimensionierten Flügelaltar mit
Mitteltafel entstanden, für den sich bei uns zulande wenig Vergleichsstücke finden ließen,
der aber zahlreichen Beispielen des niederdeutschen, speziell des westfälischen Kunst-
kreises entsprechen würde.

Den geringen Maßen und der Beschränkung auf Malerei allein, die das einstige Altär-
chen wie zu häuslicher Andacht oder zur Aufstellung in einer Kapelle bestimmt erscheinen
lassen, entspricht eine Sanftheit und Gemessenheit der Auffassung, ein lyrischer Ton, in
dem die Geschichte des Leidens Christi erzählt wird. Vom Gebet am Ölberg beginnend,
über die Szenen der Gefangennahme und vielfältigen Peinigung bis zum schmerzlichen
Stürzen unter der Kreuzeslast und bis zur Kreuzigung selbst fehlt jede leidenschaftliche
Erregung; die Kraßheiten, in denen die Darstellungen der Leidenszenen zu schwelgen
lieben, sind auf das Unvermeidliche beschränkt und die gutmütig karikierten Schergen

walten ihres Amtes ohne die satanische Bosheit und das innerliche Vergnügen an ihrem

Tun, mit denen sie sonst mit besonderer Vorliebe ausgestattet werden. Daß es aber nicht
nur eine vornehme Zurückhaltung ist, die den Maler hinderte, in den Volkston dieser
Szenen zu verfallen, sondern ein- Mangel an dramatischer Gestaltungskraft, zeigen Darstel-
lungen wie der Ölberg, in dem nichts von Todesangst und übermenschlicher Resignation

zittert, oder die Beweinung Christi, wo aller Schmerz zu stiller Wehmut abgedämpft er-

scheint, oder vor allem die Kreuzigung, in der die wohlabgewogene Verteilung der Grup-
 
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