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Hans Tiktze Ein Passionszyklus im Stifte Sclilägl

Fig. 90 Dornenkrönung Christi. Stift Sclilägl

nächst wie eine schwarze Höhle, aber dieser Raumeindruck hält nicht stand; die Pflanzen-
büschel hinter dem Kreuz, die wir jener den Blick nach hinten lockenden Baumhöhle zu-
liebe ein gutes Stück zurücksetzen müssen, erscheinen in derselben Aufsicht wie die Blumen
vorn. Wieder klebt der Grund an der seichten Bühne, die die Personen erfüllen; und wie-
der ist an diesen selbst die Räumlichkeit klarer zu entwickeln versucht. Der reichgekleidete
Hauptmann steht etwa in einer Ebene mit dem Kreuz und sein weisender Finger deutet
gerade nach der Seite; die drei zunächst hinter ihm stehenden Personen, von denen zwei
deutlich auf den Kruzifixus blicken, sind ins Dreiviertelprofil gerückt, das bei dem noch
weiter zurückblickenden Mann mit dem reichen Turban beinahe zur Facestellung wird. Es
sind also mehrere Schichten in ihrem Hintereinander unterschieden, wobei der hinterste
Kopf in seiner reinen Profilstellung als bloßes Füllsel doppelt störend wirkt. Auf der an-
dern Seite, die in ihrem Nichtinbeziehungtreten zum Kruzifixus für den vorhin charakteri-
sierten undramatischen Eindruck besonders verantwortlich ist, ist die einzige Figur, die auf
Christus blickt, der beturbante Charakterkopf, der wie eine Reminiszenz an den Meister
von Flemalle anmuten möchte, in ein seiner Stellung entsprechendes Dreiviertelprofil gestellt.

Das Kreuzigungsbild zeigt also wie die anderen der Schlägler Passionsfolge eine aus-
gesprochene Seichträumigkeit, innerhalb derer aber Abstufung und Verdeutlichung ange-
strebt werden. Ziehen wir abermals südostdeutsche Bilder zum Vergleich heran, so finden
wir in der Pfennigschen Kreuzigung von 1449 bei allem Steckenbleiben in der Ebene den
Keim zu jener Vereinheitlichung des Raumes, der in der acht Jahre jüngeren Laibschen
 
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