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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 7.1913

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Tietze, Hans: Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl
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https://doi.org/10.11588/diglit.28308#0223
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Hans Tietze Ein Passionszyklus im Stifte Schlägl

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Fig. 93 Beweinung Christi. Stift Schlägl

schmaler Bildstreifen, dessen Räumlichkeit mit der Intensität des klassischen Reliefstiles
wirkt, dort eine Tendenz, eine größere Tiefe glaubhaft zu machen. Daraus ergibt sich das
Herausfallen der Schlägler Bildfolge aus der Entwicklung ihrer jetzigen Heimat und ihre
allgemeine Zugehörigkeit zu jenen Schulen, in deren Nähe uns auch schon die Betrachtung
der allgemeinen Anordnung und der geistigen Auffassung geführt hat.

Auch die koloristische Behandlung ist von der im Alpengebiete üblichen verschieden.
Keine zarten und scharfen Grenzlinien fassen die Farbenflächen ein, keine überdeutliche
Artikulierung isoliert einzelne Gliedmaßen; die Hände sind breite Farbenflecken und selbst
bei den zarteren Händen Marias verwischen die Schatten, die sich sammeln, die Schärfe
der Konturen. In den Gesichtern mischen sich Lichter und Eigenschatten zu einer weichen
Modellierung und ähnlich entwickelt das seichte Rinnsal der Falten, auf deren undeut-
lichen Rändern ein schwaches Licht liegt, auf den Gewändern ein malerisches Spiel.
Pelzwerk, Bärte und Haupthaar sind als geschlossene Massen behandelt und auf dem
dichten Grün von Strauchwerk und Baumkronen sind einzelne Lichttupfen aufgesetzt. Außer
diesen Ansätzen malerischer Behandlung ist auch das Fehlen der kühlen Lokalfarbigkeit
zu beachten, die als ein Erbstück der höfischen Miniaturmalerei in der österreichischen
Malerei des XV. Jhs. sonst überwiegt. Warme Farben herrschen vor, Weinrot, Erbsengrün,
Dunkelblau, kräftiges Braun sind angewendet und durch die helleren Futterstoffe, die weiten
Gewandsäume usw. in Beziehung zueinander gesetzt. Eine gewisse Freude am Reichtum
ist unverkennbar; mit sichtlichem Behagen wird ein Brokatstoff geschildert, werden die
 
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