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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Schneider, Robert: Über zwei unedirte griechische Bronzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0015
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Tjeber zwei unedirte griechische Bronzen.

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dürfte auch der Neger zu einer anderen Figur gestanden haben, und ähnlich könnte es sich mit den zwei
Bronzestatuetten verhalten, welche zur Vergleichung mit ihm hier abgebildet wurden. Die eine derselben,1
etwa sechsthalb Centimeter hoch, im März 1877 in unmittelbarer Nähe von Sparta gefunden und von Herrn
Dr. Albrecht Jordan an Ort und Stelle erworben, stellt einen ausgewachsenen, kräftigen, völlig nackten
Knaben dar, ebenfalls niedergekauert und mit geschlossenen Augen. Er unterscheidet sich von dem Neger
nur darin, dass seine Beine nicht gespreizt sind und dem auf das Knie gelegten Kopfe nicht die linke, sondern
die rechte Hand zur Unterlage dient. Die linke, jetzt mit dem Vorderarme abgebrochene Hand war auf
den Boden gestemmt, und ihr entsprechend mag man sich die nicht sichtbare rechte unseres Figürchens
aufgestützt denken. Das dem Schädel sich anschmiegende Haar ist am Scheitel zu einem kleinen Knötchen
zusammengeknüpft, in einer für Sklavenkinder charakteristischen Weise. Wenngleich nicht von feiner
Ausarbeitung, ist diese Statuette doch in ihrer Stellung auf das Glück-
lichste ersonnen und bietet von den verschiedensten Seiten fast gleich
günstige Ansichten dar. Die zweite Bronze, nur 26 Millimeter hoch, aus [
der vorwiegend aus grossgriechischen Funden gebildeten Sammlung Bar- fV fiü
tholdy in das Berliner Antiquarium gelangt,2 von schöner Patina und / n. <A J
besonders niedlich und zart in der Ausführung, zeigt uns abermals ein L •£*
schlafendes zusammengekauertesKnäbchen,das jedoch unter demKöpfchen
beide Hände auf das Knie des aufgestützten linken Beines legt. Sein Haar fällt in losen Bündeln auf den
Rücken. Etwas abweichender ist die Stellung einer am Fusse des Museion gefundenen Thonfigur.3 Diesmal
ist der Schlafende wieder ein Mohrenjunge. Mit einem rücklings herabfallenden, vorne geknüpften Thierfelle
bekleidet, hat er sich neben einer Vase auf den Boden gesetzt, das rechte Bein unterschlagen und auf das
Knie des aufgestellten linken den Ellenbogen des linken Armes gesetzt, dessen Hand das darauf geneigte
Haupt stützt. Zahlreich sind ähnliche Motive in den römischen Zeiten. In Statuen* sowohl als in den
Reliefdarstellungen der Sarkophage5 —«erstere meist für dekorative Zwecke bestimmt und deshalb nur von
massig guter Arbeit — sehen wir bald Eroten und Kinder, bald Hirten oder Fischerknaben, welche in fest
ausgeprägter, kaum Variationen zulassender Ueberlieferung vielleicht in eleganterer, sicher aber in weniger

mehr als der schlafende Diener erhalten ist, beschreibt Kekule, Die antiken Bildwerke im Theseion, Nr. 297; Sybel a. a. O. Nr. 49;
ein drittes, ebenfalls fragmentarisches, hat Stephani (a. a. O. p. 39) am Wege nach Sunion gesehen. Auf einem vierten, im Bette
des Ilissus 1874 gefundenen, von hervorragender Schönheit, sitzt der Knabe in etwas verschiedener Weise auf der Basis eines
Pfeilers, abgebildet Revue archeologique, nouv. Serie XXIX (1875), pl. XIV; Annali dell' Istituto XLVIII (1876), tav. d'aggiunta H,
beschrieben von Sybel a. a. O. Nr. 57, und Milchhöfer a. a. O. S. 9, Nr. 20.

1 Beschrieben von Dressel und Milchhöfer, Die antiken Kunstwerke aus Sparta und Umgebung, Nr. 139 (Mittheilungen
des deutschen archäologischen Institutes in Athen II, S. 361). Herr Dr. A. Jordan in Dortmund hat mit grösster Zuvorkommenheit,
welche mich zu warmem Danke verbindet, die mir von den Herren Köhler und Dressel nachgewiesene, in seinem Besitze
befindliche Statuette nach Wien gesandt und so mir ermöglicht, das interessante Stück in Abbildungen zu veröffentlichen.

- Friederichs, Berlins antike Bildwerke II, Nr. 2134. Ich verdanke der freundlichen Vermittlung des Herrn Dr. Furtwängler
die Zeichnung dieser Bronze. Durch ähnliche Haartracht — eine in einen Bronzering aufgeknüpfte Flechte an dem sonst kahl-
geschorenen Haupte — ist auch der in Panof ka's Antiquites du cabinet du comte Pourtales-Gorgier pl. XIX, als «tete de negresse»
abgebildete Bronzekopf eines Knaben bemerkenswerth, welcher aus der herzoglich modenesischen Sammlung stammt und heut-
zutage im Besitze des Grafen Wilhelm Pourtales in Berlin sich befindet. Panof ka a. a. O. S. 115 bezweifelte den antiken Ursprung
desselben, und der Auctionskatalog der alten Sammlung Pourtales (Nr. 1566) reiht ihn unter die Werke neuerer Kunst. Der
Katalog der im vorigen Jahre zu Berlin öffentlich ausgestellten älteren Kunstwerke aus dem dortigen Privatbesitze (Nr. 22)
schreibt, gestützt auf Mommsen's Ausspruch über die entschieden nicht antike lateinische Inschrift auf dem Halsbande, ihn
einem «venezianischen Meister vom Anfange des XVI. Jahrhunderts» zu. Dennoch sprechen für seine römische Herkunft ge-
wichtige Kriterien, welche Bode im Jahrbuch der königl. preussischen Kunstsammlungen, Bd. IV, S. 140 f., dargelegt hat.

3 Dodwell, A classical and topographical Tour through Greece, vol. I, Kupfertafel zu p. 462. — Auch die schon oben,
Anm. 9 auf Seite 7, mit dieser Figur genannten Terracotten aus Kamiros auf Rhodos stellen hockende Negerknaben dar, den
Kopf in die Rechte stützend, die Ellenbogen auf den linken Schenkel gelegt.

4 Man vergleiche die in Clarac's Musee de sculpture gebotenen Beispiele: 644A, 1459D; 644A, 1459E; 726H, 1791C;
749C, 1849A; 762, 1867; 781, 1954; 879, 2242. — Der 761A, 1861F. nach Boissard abgebildeten Figur entspricht eine ganz
ähnliche, auf einer der jonischen Inseln gefundene Statue ohne Kopf und Vorderarme im Museum zu Narbonne (Tournal,
Catalogue n° 103). Vgl. ferner die Terracottastatuette bei Rohden, Die Terracotten von Pompeji, Taf. XLV, 4.

5 Museo Pio-Clementino, vol. IV, tav. XVI; Gerhard, Unedirte Bildwerke, Taf. LXI; Clarac 165, 187; Archäologische
Zeitung 1850, Taf. XX, und öfter.

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