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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Engerth, Eduard von: Über die im kunsthistorischen Museum neu zur Aufstellung gelangenden Gemälde, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0105
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86

Eduard Ritter von Engerth,

Er erhebt segnend die rechte Hand, neigt das mit schlicht geordnetem grauen Haar und Bart umrahmte
Haupt und betrachtet das Paar mit Wohlwollen, aber nicht ohne einen Anflug von Sorge. Adam erfasst die
rechte Hand der Eva mit seiner Linken und legt betheuernd die Rechte auf die Brust; die sehr jugendliche
und zart gestaltete Eva sieht dem Gott Vater mit heiterer Miene, voll Naivetät und Unschuld in den kind-
lichen Zügen in das Antlitz, wobei sie ihren Kopf etwas zur Seite neigt. Der Mittelgrund zeigt in gleich-
massiger Vertheilung die anderen fünf Momente der Geschichte des Sündcnfalles. Rechts am Bildrande
formt Gott Vater den Adam, der als Kind gedacht ist und in den Gliedmassen noch unfertig und formlos
auf der Erde hockt. Gegen die Mitte hin zieht Gott Vater aus dem Körper des schlafenden Adam die
fertige Eva heraus. Dann folgt die Uebertretung des Verbotes. Die schöne Rückenfigur der Eva, mit
einem Apfel in der Rechten, wendet sich zu Adam, der in einen zweiten Apfel beisst. Die in der oberen
Hälfte als junges Weib gestaltete Schlange umklammert den Baum mit dem blaugrünen Schwanzende und
der linken Hand, mit der rechten dem Paare einen dritten Apfel reichend. Etwas nach links versteckt
sich das schuldbewusste Paar hinter einem Strauch, während Gott Vater, dessen Kopf allein in einem
Glorienschein am blauen Himmel sichtbar wird, zürnenden Blickes zu ihnen herabspricht. Ein feiner,
kaum sichtbarer Lichtstrahl fällt aus seinem offenen Munde auf die eng aneinander geschmiegten Sünder
nieder. Links am Bildrande endlich fliehen die beiden Schuldbeladenen eiligen Schrittes vor dem Engel,
der ihnen mit geschwungenem Schwerte nacheilt. Der landschaftliche Theil des Bildes ist höchst einfach
in der Composition, aber von grossem Reize. Weite Fernen oder Berge sind nicht vorhanden, der Hori-
zont wird im Mittelgrunde von einem Haine abgeschlossen. Links erheben sich bewachsene Felsen mit einer
Grotte, über welcher ein feiner Wasserstrahl aus dem Steine in ein Wasser niederfällt, das mit Schwänen,
Störchen und Enten belebt ist. Rechts erhebt sich ein dichter Wald, an dessen Rande der Apfelbaum
steht. Der weite Wiesengrund ist mit Strauchwerk, welches reichlich verschiedenes Obst trägt, und mit
einzelnen Bäumen bestanden.

Alles dies ist mit bewunderungswürdiger Detaillirung und mit eingehendstem Naturstudium gemacht.
In dem tiefen gesättigten Grün sieht man jedes Zweiglein, jedes Blatt in seiner perspectivischen Wendung
ebenso durchgebildet, als in seiner Charakterisirung richtig, und diese Sorgfalt in der Behandlung selbst
der kleinsten Nebendinge erstreckt sich bis auf die Blümchen, welche zwischen den Gräsern der Wiese
hervorlugen. Mit derselben Genauigkeit sind die vielen verschiedenartigen Thiere ausgeführt. Das Ein-
horn, das Reh, der Hirsch, das Pferd und der Hase, der Bär und der Windhund, gleichwie die vielen
Vögel, unter welchen Pfaue, Fasane, Perlhühner u. s. w. besonders hervortreten, sind bis ins kleinste
Detail durchgebildet und einzelne derselben auch mit grosser Naturwahrheit und Richtigkeit dargestellt.

Die Erhaltung des Bildes ist makellos. Es leuchtet in ungewöhnlicher Klarheit. Mit Ausnahme
zweier Linien, welche die ursprüngliche Zusammenfügung der Bretter horizontal über die Bildfläche ziehen,
ist kein Makel und keine Restauration an demselben; die Farbe wirkt in ihrer ursprünglichen Kraft und
kein Steinchen, kein Grashalm geht verloren. Ebenso klar und deutlich ist das Monogramm, welches
links unten auf einem grauen Steine mit brauner Farbe fein und bestimmt hingeschrieben erscheint:

Das Bild stammt aus der Rudolphinischen Kunst- und Wunderkammer in Prag. Im ältesten Inventar
dieser Sammlung vom Anfang des 17. Jahrhunderts erscheint Adam und Eva von Cranach dreimal. Das
Inventar vom Jahre 1718, Nr. 331, führt an: «Lucas, Original, Adam vnd Eva in Baradeysz», ebenso das
Prager Inventar vom Jahre 1737, Nr. 417, welches noch hinzusetzt: Holz, hoch 1 Elle 9 Zoll, breit 1 Elle
2 3 Zoll (die Prager Elle = 24 Wiener Zoll). Da dieses Inventar die Bilder sammt den Rahmen misst, so
entspricht die Angabe der Grösse unseres Bildes. Im Jahre 1772 kam das Bild nach Wien und im Anfange
des jetzigen Jahrhunderts wieder nach Prag.
 
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