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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Kenner, Friedrich: Dr. Ernst Edler von Hartmann-Franzenshuld
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0209
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Dr. Ernst Edler von Hartmann-Franzenshuld.

Fächer auch unter einander verbindet. «Wer Genealogie betreibt, wird durch diese unausweichlich Heral-
diker,»1 ein solcher ist auch der Sphragistiker für einen grossen Theil seiner Wissenschaft schon durch den
Gegenstand selbst. Diese Aeusserung charakterisirt die Anschauung, welche der Verstorbene von seinen
Fachstudien gewann.

Er nahm einzelne Persönlichkeiten, Familien, gesellschaftliche Verbindungen längst vergangener
Zeiten nicht als Erscheinungen für sich, sondern als Factoren des damaligen Culturlebens. Siegel, Wappen,
Stammbäume, Trachten, Festspiele, Aufzüge u. dergl. waren für ihn nicht einzelne Curiosa, sondern sie
traten ihm, je weiter er in ihrem Studium vordrang, umsomehr nur als die äusseren Zeichen von Vorgängen
und Zuständen allgemeiner culturgeschichtlicher Bedeutung entgegen. Ihre richtige Würdigung betrachtete
er als das beste Mittel, um die Kenntniss jener kleinen historischen Organismen, ihrer Entstehung und
Entwicklung, der Entfaltung ihrer Eigenthümlichkeiten, ihrer Rückwirkung auf die Zeitgeschichte zu fördern.
Dies zu erreichen, war die vorzügliche Absicht, die er verfolgte; in richtiger Erkenntniss desjenigen, was
bei der bisherigen Vernachlässigung der betreffenden Disciplinen nothwendig war, suchte er durch Ver-
öffentlichung von neuem Materiale zumal aus Oesterreich neue Thatsachen zu sammeln und in einer Voll-
endung hinzustellen welche einen speciellen Vorzug seiner literarischen Technik ausmacht.

Es ist natürlich, dass die Art, in der er seine Specialität erfasste, ihn zunächst auf die Cultur-
geschichte führen musste. Die culturhistorischen Beziehungen der von ihm behandelten Objecte gesondert
und für sich zu bearbeiten, das war für die weitere Entwicklung seiner Bestrebungen die einzig mögliche
Richtung, wenn ihm überhaupt eine längere Lebensdauer vergönnt gewesen wäre. Theilweise, wie es die
Sache eben erforderte, trug er schon in seinem noch zu nennenden Hauptwerke diesem Gesichtspunkte
Rechnung. «Urkunden, welche geeignet sind» — so sagt er selbst darüber — «das alte bürgerliche Leben
scharf zu kennzeichnen, Testamente, welche nicht selten einen tiefen Einblick in die Privatverhältnisse
längst untergegangener Generationen gestatten, Rückblicke auf Sitten, Eigenthümlichkeiten, Feste und
Trachten, Analogien mit den Hof- und Adelskreisen und die häufigen Beziehungen zu Kunst und Wissen-
schaften werden dem historisch-antiquarischen Materiale Leben und Colorit verleihen.»-

Muss eine weitere Entwicklung in dieser Richtung einer späteren Zeit vorbehalten gedacht werden,
so lag es schon von vornherein vollkommen in seinem Berufe, gleichen Schrittes mit dem Fortgang seiner
Forschungen dasjenige, was er durch seine Studien gewonnen, in das Leben einzuführen und vor Allem
nach jenen beiden Richtungen geltend zu machen, in denen dem Eingreifen des Fachmannes reichliche Ge-
legenheit geboten war. Es blieb seine ernste Sorge, das Studium der Heraldik und Sphragistik aus der
untergeordneten Stellung herauszubringen, in die sie gerathen war, und in weiteren Kreisen anzuregen,
dann den reinen heraldischen Styl, die edle Heroldskunst, wie sie sich in verschiedenen Epochen der bil-
denden Kunst im engsten Zusammenhange mit dieser, aber aus festbestimmten inneren Gesetzen durchaus
eigenartig entwickelt hatte,3 wieder in Recht und Ansehen einzusetzen. Von vornherein erklärt er jenen
Ungeheuerlichkeiten den Krieg und bekämpft jene Willkür, die aus der Unkenntniss des Gegenstandes
hervorgegangen waren und den tiefsten Verfall der Heroldskunst bis in die fünfziger Jahre unseres Jahr-
hunderts begleitet hatten. In diesem Bestreben wendete er sich nicht blos an die Graveure, sondern an das
Kunstgewerbe überhaupt, dem er unter Hinweis auf die mustergiltigen Wappendarstellungen aus der
Blüthezeit des Blason neue richtige Wege anzeigte.

Diese praktische Seite seines Wirkens, welche im Allgemeinen auch den Ausgangspunkt und die
Grundlage seiner Forschungen bildete, haben wir zunächst ins Auge zu fassen. Schon im Jahre 1862 war
sie der Grund, dass v. Hartmann-Franzenshuld, der damals im zweiundzwanzigsten Lebensjahre stand,
mit der Ordnung und Neueinrichtung der Siegelsammlung des k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs betraut

1 Adler, 1873, 176 f.

2 Prospect zu seinem Wiener Geschlechterbuch. Es möge hier gestattet sein, auch auf die kleine Novelle: «Ein Blatt
aus Köln» hinzuweisen, welche er in die später zu nennenden «Sonnenblumen» aufnahm. Sie ist charakteristisch, indem
sie zeigt, wie lebhaft ihn schon vor 1868 die Zusammenstellung von Personen und Situationen aus städtischen Kreisen und
ihrer Antiquitäten zu einem trefflichen Culturbildchen beschäftigte.

3 Vergleiche seine Aeusserungen in den Mittheilungen der k. k. Gentral-Commission, 1874, S. 23 f.
 
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