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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Kenner, Friedrich: Dr. Ernst Edler von Hartmann-Franzenshuld
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0212
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io6

Dr. Ernst Edler von Hartmann-Franzenshuld.

Bürgermeister, Stadtrichter, Stadtschreiber, Spitalmeister und anderer städtischer und herzoglicher Würden-
träger Wiens (1298 — r.530),1 über die Siegel des Wiener Stadtrathes2 und über die Sitzung des schwä-
bischen Kreises;3 man kann hier auch seine Veröffentlichung eines höfischen Kartenspiels aus dem
XV. Jahrhundert anreihen.*

Manche der genannten Schriften beziehen sich auf seine Vaterstadt Wien, für die er immer die
wärmste Anhänglichkeit äusserte. Ihr sollte auch das Hauptwerk des Verstorbenen zu Gute kommen.
Schon seit seinem 25. Lebensjahre sammelte er schriftliche und bildliche Denkmale aller Art für die Ge-
schichte der Wiener Bürgergeschlechter und brachte mit empfindlichen Opfern an Zeit und Geld ein weit-
läufiges auserlesenes Material zu Stande, das er auch zumeist noch selbst bearbeitete. Es sollte in Lie-
ferungen nach dem Alphabete der Geschlechternamen veröffentlicht werden. Dabei fand er zu seiner
schmerzlichen Ueberraschung Schwierigkeiten, die zumeist in dem Mangel an Theilnahme selbst der nächst
interessirten Kreise des Publicums lagen. Nach einem vor mehreren Jahren vergeblich versuchten Anlaufe
erschien im Jahre 1882 die erste Lieferung des Werkes (Buchstabe A), der im Jahre 1883 die zweite (Buch-
stabe B) folgte.5 Sie zeichnen sich durch die Fülle von bisher unbekannten Angaben und, wie im Allge-
meinen durch die Ausstattung, so insbesondere durch die zahlreichen Illustrationen (100 Figuren) aus, die
durchaus nur erläuternde Denkmale selbst (Wappen, Siegel, Medaillen, Grabsteine, Gebäude, Costüm-
bilder etc.) in mustergiltiger Weise vorführen; in dieser Beziehung bewies v. Hartmann-Franzenshuld
stets ein ausgezeichnetes Verständniss und grosses Geschick, sowohl was die Auswahl als die Ueber-
wachung der Durchführung betrifft. Das Werk würde, wenn es erst nur mehrere Lieferungen erreicht
hätte, einen durchschlagenden Erfolg erzielt und sich selbst gefördert haben; es würde, abgesehen von seinem
überaus nützlichen Inhalte, durch die Illustrationen ein treffliches culturgeschichtliches Bilderbuch von
localer Geltung geworden sein, wie sie heutzutage so sehr beliebt und angestrebt sind. Leider sollte der
Verfasser eben nur die unsäglichen Mühsale, die es gewöhnlich kostet, um ein derartiges neues Unternehmen
in Gang zu bringen, auskämpfen, ohne die Früchte davon zu ernten. In erster Linie ist darum seine Vater-
stadt zu bedauern.

Wie man an der Frucht des Baumes die Art des Letzteren, aber auch die Einflüsse erkennen kann,
unter welchen Erstere gereift ist, so pflegt man nicht mit Unrecht die geistige Arbeit des Menschen als ein
Spiegelbild ebensowohl seiner Anlagen und Charaktereigenschaften, wie seiner Erlebnisse und Schicksale
zu betrachten. So zeigen auch die Leistungen des Verstorbenen, abgesehen von seinen Fähigkeiten, die Be-
harrlichkeit, den Muth, die Treue und Entschiedenheit, welche Grundzüge seines Charakters waren, die
Gabe der Initiative, die er im hohen Grade besass. Sein Gemeinsinn und seine lebhafte Theilnahme an
Personalien jeder Art, an alter wie an neuer Zeitgeschichte, an freudigen wie traurigen Vorfällen verrathen
die Tiefe und Erregbarkeit seines Gemüthes, die sich auch in dem 1868 unter dem Titel «Sonnenblumen»
erschienenen Bande seiner Gedichte6 ausspricht. Jede öffentliche Bethätigung gesellschaftlichen Lebens fesselte
ihn; der Festzug der Stadt Wien im Jahre 1879 war ihm nicht nur ein schönes Schauspiel, sondern ein
lehrreiches bedeutsames Ereigniss, wogegen ihn der Einsturz eines Hauses am Graben in fieberhafte Er-
regung versetzte und der Brand des Ringtheaters in convulsivisches Weinen ausbrechen machte.

Diesen sympathischen und für sein Wirken so günstigen Eigenschaften stand schon seit seiner Jugend
ein düsterer wehmüthiger Zug gegenüber, der im Fortschritt der Jahre sich steigerte. Nur wer den Grund
desselben kannte, vermochte zu beurtheilen, unter welchen Schwierigkeiten er arbeitete und warum eine
bewusste Resignation bei so vielen Anlässen in ihm zum Vorschein kam. Er hatte in der That eine schwere
Fessel zu tragen, welche die volle Entfaltung seiner Kräfte hemmte.

1 Katalog der historischen Ausstellung der Stadt Wien, 1873, p. 142.

2 Mittheilungen und Berichte des Alterthumsvereins zu Wien, XV, (1875), S. 152.

3 Mittheilungen der k. k. Central-Commission, 1876, p. 81 f.

4 Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, I. und II. Band, 1882 und 1883.

5 Geschlechterbuch der Wiener Erbbürger, Rathsverwandten und Wappengenossen. Wien, G. P. Faesy, Hochquart,
124 Seiten mit IOO Originalillustrationen.

6 Sonnenblumen. Novellen, Poesien und Reisebilder von Ernst von Franzenshuld. Wien und Pest, in A. Hartlebens
Verlag, 1868.
 
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