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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 3.1885

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Chmelarz, Eduard: Franz Schestag: 26. Juni 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.5882#0216
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Franz Schestag.

IO9

Bibliothek in Widerstreit gerathen mochte. Dieser Sinnesrichtung selbst folgend, bin ich weit entfernt,
hiemit irgend einen Vorwurf aussprechen zu wollen. Es wäre doch unbillig, hier nicht auch jenes Mannes
zu gedenken, von welchem Schestag in Bezug auf Kenntniss der alten Holzschnitte und Bücher viel lernen
konnte und auch viel gelernt hat. Ich meine den im Vorjahre verstorbenen Feldzeugmeister Franz Ritter
von Hauslab.

Für die Anordnung der Ornamentstiche, welche bishin im Allgemeinen gering geachtet waren, seit-
her aber in ihrer Wichtigkeit für die Kunstindustrie zu ungeahnter Werthschätzung gestiegen sind, hatte
Schestag blos durch die kleine Drugulin'sche Sammlung, welche vom Ministerium für das Museum
angekauft wurde, die Richtung bekommen. Er hat dieselbe dann in seinem Ornamentstichkataloge in so
gediegener Weise festgehalten und weiter geführt, dass man wohl behaupten darf: Schestags Katalog der
Ornamentstichsammlung des österreichischen Museums ist ebenso das Fundamental-Handbuch für jede
derartige Sammlung geworden, wie in grösserem Style und etwas anderer Art der «Peintre graveur»,
welchen Bartsch nach den Schätzen der Kupferstichsammlung in der kaiserlichen Hofbibliothek aus-
gearbeitet hat.

Durch die im Jahre 1875 erfolgte Neuorganisation der kunsthistorischen Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses, in welche auch die in den Räumen der k. k. Hofbibliothek aufbewahrte Kupferstich-
sammlung einbezogen wurde, erweiterte sich für Schestag das Feld seiner Thätigkeit, als er nämlich im
Jahre 1876 zum Custos dieser Sammlung ernannt wurde.

Was Gediegenheit rastloser Arbeit und reiches Wissen anbelangt, hatte von den massgebenden
Kreisen keine bessere Wahl getroffen werden können; die Herrlichkeit der gestellten Aufgabe mochte
ihm selbst das Scheiden von der Museumsbibliothek erleichtert haben, welche er von ihren primitivsten
Anfängen zu so glänzender Entfaltung geführt hatte. Inzwischen hatte er seine dritte selbständige Arbeit ver-
öffentlicht: «Die Gefässe der deutschen Renaissance (Punzenarbeiten)», als Museumspublication nach den
Originalstichen in der Bibliothek in reicher Ausstattung reproducirt und von Schestag mit einem kurzen,
sehr lehrhaften Vorworte versehen, welches die noch heute ungelöste Jamnitzer Frage in Fluss brachte.
Das Ehrenamt eines Redacteurs des Repertoriums für Kunstwissenschaft, welche Zeitschrift auf An-
regung des Wiener kunstwissenschaftlichen Congresses vom Jahre 1873 mit Unterstützung des k. k.
Ministeriums für Cultus und Unterricht ins Leben gerufen wurde, legte er bald und gerne in andere
Hände nieder.

Schestag konnte die Reorganisirung der kaiserlichen Kupferstichsammlung nicht zu Ende führen,
kaum über die Vorarbeiten vergönnte ihm das Schicksal hinauszukommen. Des Erfolges und der Ehre
der Durchführung sich zu erfreuen, war ihm versagt, und seine Arbeit ist ein Torso, um so bedauerlicher,
weil in einer solchen Stellung jeder Nachfolger von vorne anfangen muss, um die Uebersicht über die ihm
anvertrauten Kunstblätter zu gewinnen. Die Revision des Inventars der riesigen Sammlung, welche mehr
als 3oo.ooo Blätter zählt, die Besorgung der laufenden Geschäfte, die Anlegung eines Verzeichnisses der
für eine Sammlung der graphischen Künste im weitesten Sinne erforderlichen Literatur, füllte die wenigen
Jahre aus, welche ihm in voller Gesundheit auf seinem neuen Posten zu wirken beschieden war.

Von literarischen Arbeiten erschien während dieser Zeit von ihm eine Abhandlung über den Triumph-
zug des Kaisers Maximilian I. in dem Jahrbuche der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten
Kaiserhauses. Mit einer andern über das berühmte Gebetbuch desselben kunstsinnigen Monarchen war er
eben beschäftigt; sie blieb unvollendet, und ich, der ich mit der Weiterführung derselben von Seite des
hohen Oberstkämmereramtes betraut wurde, wünsche nichts sehnlicher, als dieselbe im Sinne meines da-
hingeschiedenen Freundes ehrenvoll zu beenden. Weitere Arbeiten Schestags über Dürers Ehrenpforte u. A.
waren uns für die nächste Zukunft in Aussicht gestellt.

Das ist ja das Grausame an Schestags plötzlichem, für uns, seine näheren Freunde, besonders schmerz-
haften Tode! Nun ist der stille, empfindungsreiche Mann ganz stumm geworden, der in seinem ganzen
Leben so selten von dem sprach, was er bereits geleistet hat, gar nie von dem, was er schaffen wollte und
konnte. Wahrhaft bescheiden, war er sich seines Werthes wohl männlich bewusst, hat dieses aber nicht
geltend gemacht, am wenigsten Jenen gegenüber, welche sich rathesbedürftig an ihn wandten. Er trat mit
 
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