DAS ÄLTERE GEBETBUCH DES KAISERS MAXIMILIAN I.
Von
Eduard Chmelarz.
as Münchener Exemplar von dem Gebetbuche des Kaisers war wegen seiner
Randzeichnungen von Dürer und Kranach schon längst weltberühmt. Im dritten
Bande dieses Jahrbuches wurde auch der zugehörige, mit Zeichnungen von Alt-
dorfer, Burgkmair, Baidung Grien, Hans Dürer u. s. w. gezierte Theil, welcher
in der Stadtbibliothek von Besancon entdeckt worden war, einer eingehenden
Würdigung unterzogen. Dieses im Jahre 151 5 fertig gewordene Buch war aber,
wie sich voraussetzen Hess, nicht das einzige reich ausgestattete Andachtsbuch
Maximilians gewesen, welchen als echten Ritter neben anderen Tugenden auch
wahre Frömmigkeit schmückte. Im Regest 4023 des V. Bandes von unserem Jahrbuche sind dessen
Schriften und Bücher nach seinem Gedenkbuche aufgezählt, darunter »das New pett puech«, also offenbar
lm Gegensatze zu einem älteren, als welches sich nunmehr mit aller Sicherheit der Codex 1907 der k. k.
Hofbibliothek bezeichnen lässt, nachdem derselbe bereits traditionell als ein Gebetbuch des Kaisers galt.
Vor der Beweisführung für die Richtigkeit dieser Ueberlieferung sei hier zunächst die Beschreibung des
Werkes nach Inhalt und Ausstattung erledigt.
Der Codex umfasst 87 Pergamentblätter von 190: i32 Mm. im neueren Einbände. Fol. 1 —12
enthält den Kalender mit Eintragung der unbeweglichen Feste. Aus dem weiteren Inhalte des Gebet-
buches ist vor Allem das Eine auffallend, dass zwischen die lateinischen Gebete solche in vlämischer Sprache
Angeflochten sind, und zwar von der Hand eines anderen Schreibers, als jener war, welcher eigentlich das
Gebetbuch im Ganzen und Grossen schrieb. Proben der einen und der anderen Handschrift sind hier im
Facsimiledruck beigegeben.
Die vlämischen Einschaltungen finden sich auf: Fol. 23 r. »Dit es sanctus int vlaemsche«, und 23 v.
»Dit es agnus dei int vlaemsche.« Fol. 42 r. und v. »Een ghebet van die vyf wonden chri Jhesu.«
Fol. 46 v. »Een schoon ghebet ouer alle weldoender's zielen.« Fol. 54 r. »Des smorghens als ghy vpstaet:
tQt onsen heere ghebet«, und Fol. 54 v. »Als ghy gaet slapen, zecht.« Fol. 52 v. — 64 v. Vlämische
Gebete zur Erlangung von Ablässen, welche von den Päpsten Bonifaz VI. (896), Pius II. (1458—1464)
und Sixtus IV. (1471 — '4^4) ausgeschrieben worden waren. Fol. 80 bis zum Schlüsse, welcher hier
ln phototypischer Weise wiedergegeben ist: »Der herten noot: es naerst den doot« u.s.w.
Für unsere kunstgeschichtliche Betrachtung des Werkes fällt das Hauptgewicht auf seine Aus-
schmückung mit Initialen, Randleisten und blattgrossen Miniaturen. Unter den Initialen sind besonders
drei grössere sehr schön, von denen eine mit König David unsere kurze Abhandlung eröffnet; ebenso
gestaltet ist ein D mit dem segnenden Salvator und ein O mit dem Christkindlein. Die kleineren Anfangs-
buchstaben im Kalender und im Contexte sind ein ziemlich geschmackloses Blatt-und Riemseiwerk. Wieder
besser sind einige andere Initialen mittlerer Grösse, vielfach an romanische Motive mit geschmeidigen Thier-
körpern, namentlich Fischen erinnernd, wobei die Endigungen des Buchstabens in das Maul des Fisches
gesteckt sind. Diese Art von Initialen ist sogar zur Einhaltung eines gleichmässigen Gesammtcharakters
auch in den von anderer Hand geschriebenen vlämischen Theilen des Buches, allerdings in etwas derberer
Ausführung nachgeahmt. Neben diesen finden sich noch Buchstaben mit reinem Blattwerke und andere in
26
Von
Eduard Chmelarz.
as Münchener Exemplar von dem Gebetbuche des Kaisers war wegen seiner
Randzeichnungen von Dürer und Kranach schon längst weltberühmt. Im dritten
Bande dieses Jahrbuches wurde auch der zugehörige, mit Zeichnungen von Alt-
dorfer, Burgkmair, Baidung Grien, Hans Dürer u. s. w. gezierte Theil, welcher
in der Stadtbibliothek von Besancon entdeckt worden war, einer eingehenden
Würdigung unterzogen. Dieses im Jahre 151 5 fertig gewordene Buch war aber,
wie sich voraussetzen Hess, nicht das einzige reich ausgestattete Andachtsbuch
Maximilians gewesen, welchen als echten Ritter neben anderen Tugenden auch
wahre Frömmigkeit schmückte. Im Regest 4023 des V. Bandes von unserem Jahrbuche sind dessen
Schriften und Bücher nach seinem Gedenkbuche aufgezählt, darunter »das New pett puech«, also offenbar
lm Gegensatze zu einem älteren, als welches sich nunmehr mit aller Sicherheit der Codex 1907 der k. k.
Hofbibliothek bezeichnen lässt, nachdem derselbe bereits traditionell als ein Gebetbuch des Kaisers galt.
Vor der Beweisführung für die Richtigkeit dieser Ueberlieferung sei hier zunächst die Beschreibung des
Werkes nach Inhalt und Ausstattung erledigt.
Der Codex umfasst 87 Pergamentblätter von 190: i32 Mm. im neueren Einbände. Fol. 1 —12
enthält den Kalender mit Eintragung der unbeweglichen Feste. Aus dem weiteren Inhalte des Gebet-
buches ist vor Allem das Eine auffallend, dass zwischen die lateinischen Gebete solche in vlämischer Sprache
Angeflochten sind, und zwar von der Hand eines anderen Schreibers, als jener war, welcher eigentlich das
Gebetbuch im Ganzen und Grossen schrieb. Proben der einen und der anderen Handschrift sind hier im
Facsimiledruck beigegeben.
Die vlämischen Einschaltungen finden sich auf: Fol. 23 r. »Dit es sanctus int vlaemsche«, und 23 v.
»Dit es agnus dei int vlaemsche.« Fol. 42 r. und v. »Een ghebet van die vyf wonden chri Jhesu.«
Fol. 46 v. »Een schoon ghebet ouer alle weldoender's zielen.« Fol. 54 r. »Des smorghens als ghy vpstaet:
tQt onsen heere ghebet«, und Fol. 54 v. »Als ghy gaet slapen, zecht.« Fol. 52 v. — 64 v. Vlämische
Gebete zur Erlangung von Ablässen, welche von den Päpsten Bonifaz VI. (896), Pius II. (1458—1464)
und Sixtus IV. (1471 — '4^4) ausgeschrieben worden waren. Fol. 80 bis zum Schlüsse, welcher hier
ln phototypischer Weise wiedergegeben ist: »Der herten noot: es naerst den doot« u.s.w.
Für unsere kunstgeschichtliche Betrachtung des Werkes fällt das Hauptgewicht auf seine Aus-
schmückung mit Initialen, Randleisten und blattgrossen Miniaturen. Unter den Initialen sind besonders
drei grössere sehr schön, von denen eine mit König David unsere kurze Abhandlung eröffnet; ebenso
gestaltet ist ein D mit dem segnenden Salvator und ein O mit dem Christkindlein. Die kleineren Anfangs-
buchstaben im Kalender und im Contexte sind ein ziemlich geschmackloses Blatt-und Riemseiwerk. Wieder
besser sind einige andere Initialen mittlerer Grösse, vielfach an romanische Motive mit geschmeidigen Thier-
körpern, namentlich Fischen erinnernd, wobei die Endigungen des Buchstabens in das Maul des Fisches
gesteckt sind. Diese Art von Initialen ist sogar zur Einhaltung eines gleichmässigen Gesammtcharakters
auch in den von anderer Hand geschriebenen vlämischen Theilen des Buches, allerdings in etwas derberer
Ausführung nachgeahmt. Neben diesen finden sich noch Buchstaben mit reinem Blattwerke und andere in
26