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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 9.1889

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Frimmel, Theodor v.: Bronzen in der II. Gruppe der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5731#0221
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Bronzen in der II. Gruppe der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses.

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der unter der rechten Hand sichtbar ist. Vom linken Aermel ist nur ein ganz kleines, meergrünes Stück
sichtbar, woran ein schmales Streifchen in Roth und mit drei weissen Tupfen auffällt. Das Ueberkleid ist
dunkelblau und mit gelben Punkten, zu dreien in einer Gruppe, gemustert.1 Unten gewahrt man einen
breiten, hellblauen Saum mit rothen Punkten.

Die Hände sind in flachem Relief nach Art der Koilanaglyphen gearbeitet. Sie zeigen keinen Email-
schmuck. Dagegen ist die glockenförmige Lampe nur in ihren wesentlichen Linien durch Metallstege
gekennzeichnet. Alle Hachen sind mit Schmelzfarben ausgefüllt, und zwar die obere schmale elliptische
Fläche hellblau, mit weissem oberen Rande, die Flamme roth, das Ringband meergrün, die untere Fläche
hellblau, unten mit weissem Rand.

Der ausgesparte Grund ist mit reichem gravirten Zierwerk übersponnen. Im Wesentlichen lässt
sich das Ornament desselben in die Classe der Wellenlinie mit alternirenden Ranken einreihen. Die
Ranken selbst theilen sich dann noch zweimal und lösen sich in mehr oder weniger complicirtes Blatt-
werk auf. Die Wellenlinie rechts ist einfacher gestaltet als die links, welche ich eben zu kennzeichnen ver-
sucht habe.

Der Rand der ganzen Platte ist zu äusserst von einem schmalen schmelzfreien Bande gebildet, auf
dem eine ununterbrochene einfache Wellenlinie gravirt ist. Nach innen zu springt ringsum, mit Ausnahme
der Stelle, wo die Füsse das Rändchen berühren, eine Reihe von emaillirten steilen Wellenzügen vor, die
innen hellblau, mitten weiss und aussen dunkelblau gefärbt sind.2

Die ganze Platte, die an blanken Stellen deutlich Farbe und Glanz des Kupfers erkennen lässt, misst
o-25 Meter in der Höhe, 0-092 in der Breite und ist circa 3 Millimeter dick. Unsere Abbildung ist nur um
ein Geringes kleiner als das Original.

Die ursprüngliche Bestimmung der beschriebenen Emailtafel lässt sich nur vermuthen. Dabei ist es
aber doch wahrscheinlich, dass sie nicht einzeln für sich gefertigt war, sondern als Bestandtheil eines grös-
seren Ganzen gedient hat. Iconographische Gründe sprechen dafür, dass die Tafel mit mindestens vier,
wahrscheinlich mit neun anderen ähnlichen Tafeln vereinigt war. Vielleicht ein Reliquienschrein war es,
an dessen Vorderseite in fünf Feldern die klugen, in weiteren fünf Abtheilungen die thörichten Jungfrauen
eingefügt waren. In der Mitte der Vorderwand oder auch des Daches mag dann, wie später so oft zu fin-
den, der Erlöser dargestellt gewesen sein, umgeben von den vier Symbolen der Evangelisten. Zu diesem
Resultat komme ich, wenn ich mir vergegenwärtige, was ich an Darstellungen der fünf klugen und fünf
thörichten Jungfrauen kennen gelernt habe.

Altchristliche Darstellungen3 dieses Gegenstandes in den Katakomben liegen in ihrer Entstehungszeit
und Anordnung viel zu weit ab von unserem Falle, um mit Erfolg zur Vergleichung herangezogen zu
werden. Sie zeigen noch eine durchaus malerische Anordnung. Ebenso eine Miniatur im Codex Rossa-
nensis.t Hier tragen die Jungfrauen noch Fackeln, wogegen die Lampen erst in späteren Kunstperioden
zur Beobachtung kommen. Zwei Miniaturen der Lucialegende des Berliner Kupferstichcabinetes (Hs. 82,
fol. 18a und b) reichen zwar der Zeit nach an unsere Tafel schon viel näher herauf,5 gehören aber doch
einer fern liegenden Technik an.

Ein anderes Beispiel aus dem hohen Mittelalter lässt einige vorsichtige Rückschlüsse auf unseren
Fall zu. Ich meine den Epiphaniussarg im Dom zu Hildesheim, ein interessantes Werk deutscher Gold-

' Am Mantel ist links ungefähr in der Höhe des Schienbeines eine grössere schadhafte Partie zu bemerken. — Das runde
Loch oben mitten ist wohl neueren Datums.

2 Die einzigen Farben, die auf der Tafel vorkommen, sind: Weiss, Hellblau, Dunkelblau, Hellgelb, Meergrün, Braunroth.

3 Vergl. De Rossi, Bullettino di archeologia cristiana, 1863, Nr. 10, S. 73ff. und 78; Martigny, Dictionnaire des anti-
quites chretiennes, article: vierges prudentes et vierges folles; Fr. X. Kraus, Realencyklopädie des christlichen Alterthums, I,
S. 83; Lefort, Chronologie des peintures des catacombes romaines, in der Revue archeologique, 1880, 327.

4 Vergl. die Harnack-Gebhardt'sche Publication dieses Codex, Taf. VII.

5 Die Lucialegende stammt aus dem 11. Jahrhundert. Eine der Miniaturen ist abgebildet in Woltmann und Wör-
mann's Geschichte der Malerei, I, 285. Auf einer Miniatur sind die klugen, auf der andern die thörichten Jungfrauen zu einer
Art malerischer Gruppe vereinigt. Die »V prudentes virgines« tragen je eine kleine Lampe an einem Stäbchen. Die zurück-
gewiesenen fünf thörichten halten umgekehrte flaschenartige Gefässe in der Hand.
 
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