Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 11.1890

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Benndorf, Otto: Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5770#0055
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5o

Otto Benndorf.

Der Fries hat jetzt 21 Figuren, nämlich 8 Kentauren, 11 Lapithen und 2 Frauen. Die Frauen sind
getrennt von einander, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass eine dritte auf dem fehlenden Steine B 1 vor-
handen war. Die Kentauren sind alle bärtig, mit grossen Thierfellen ausgestattet und kämpfen zweimal mit
Baumästen, zweimal schleudern sie Gefässe auf die Gegner, vier von ihnen sind ohne Waffen. Von den
Lapithen hat nur einer, Kaineus, den Schild. Dessen Stelle vertritt fünfmal der um den linken Arm
geschlungene Mantel, den mit drei Ausnahmen alle Lapithen tragen. Nur zwei sind abgesehen von diesem
nackt, die übrigen kleidet der übliche gegürtete Chiton. Helme sind nicht zu constatiren; von Angriffs-
waffen handhaben fünf das Schwert, einer eine Lanze, einer eine Streitaxt, drei scheinen unbewehrt; es sind
diejenigen, die sich mit ihren Gegnern in einen Ringkampf eingelassen haben.

Ich beginne die Beschreibung wieder vom Thore her.

A 3 hat am rechten Ende als erste Gruppe einen nach links ansprengenden Kentauren, auf den von
beiden Seiten in Vordersicht je ein bärtiger Lapithe mit dem Schwerte einstürmt. Der anscheinend kahl-
köpfige Kentaur erhebt zum Wurfe hinter seinem Kopfe das gebrochene Obertheil einer dickbauchigen
Amphora, die er mit der Linken an einem Henkel gepackt zu haben scheint; das offenbar zugehörige
Untertheil, das in eine Spitze ausläuft, liegt unter ihm am Boden. Auf seiner rechten Achsel wird ein
Thierfell liegen, dessen Kopf über den Pferderücken nachfliegt, während das Hintertheil desselben zwischen
den vorderen Pferdebeinen herabhangt. Der Lapithe links, gegen den der Wurf gerichtet ist, hält das
Schwert gezückt an der Hüfte und streckt den von einem flatternden Mantel umwickelten linken Arm
gegen den rechten Oberarm des Kentauren zum Schutz empor. Wehrgehenk und Scheide sind noch zu
erkennen. Der Lapithe rechts ist erst im Begriffe, das Schwert zu ziehen; er hat die im Wehrgehenk
befindliche Scheide mit der Linken erfasst und hält sie etwas rückwärts; sein linker Arm ist bis zum
Handgelenk bedeckt von einem Mantel, welcher lang nachfliegt und auf der linken Achsel eine Spange zu
haben scheint.

Zweite Gruppe. Ein Kentaur nach links im Ringkampf mit einem anscheinend jugendlichen Lapithen.
Der letztere steht mit geneigtem Kopfe auf dem im Knie etwas gebogenen rechten Beine und hat das
erhobene linke um das rechte Vorderbein des Kentauren geschlungen, während er von oben her dessen
Hals umklammert. Man sieht ihn mit seinem rechten Arme das nach vorn gewandte Haupt des Kentauren
gegen den Leib pressen, und wahrscheinlich kommt seine linke Hand unter dem Barte des Kentauren hervor.
Der Lapithe ist nackt bis auf ein wohl gelöst zu denkendes Gewand, das von seinem Rücken steil zur
Erde fliesst. Der Kentaur ist auf die Hinterbeine gesunken und stemmt das linke Vorderbein steif vor;
abwehrend stemmt er zugleich die linke Hand gegen den Kopf des Lapithen und hat dessen rechten Ober-
schenkel mit der rechten Hand unterfasst, wohl um ihn emporzuheben. Der Zipfel eines Kleidungsstückes
fliegt über seinen Rücken.

Linear zu dieser Gruppe gehörig und doch selbstständig zwischen ihr und der folgenden ist eine ein-
zelne weibliche Gestalt, welche lebhaft rechtshin schreitet und klagend die Rechte an die Brust und die
Linke an den nach vorn gerichteten Kopf legt. Sie trägt einen tiefgegürteten Chiton, in dem die Brust
weiblich hervortritt, und ein shawlartiges Obergewand, dessen beide Enden über die Schultern herab-
fallen; ihr Haar fällt zu beiden Seiten in langen Locken auf die Brust. Nach ihrer Isolirung ist sie matronal.

Die dritte Gruppe umfasst die vier letzten Figuren von A 3 und die erste von A 2. Sie ist streng
symmetrisch: den in der Mitte nach vorn zusammengesunkenen jugendlichen Kaineus umgeben rechts und
links zunächst je ein Kentaur und weiterhin je ein jugendlicher Lapithe, alle kämpfend. Kaineus ist mit
gespreizten Schenkeln in die Kniee gesunken und vertheidigt sich nach beiden Seiten mit hoch empor-
gehaltenem Schilde (man erkennt den Riemen über dem Unterarm und den Griff für die linke Hand) und
mit dem gezückten Schwerte, dessen Spitze gegen den Pferdeleib des linken Kentauren gerichtet ist. Ueber
dem gegürteten Chiton trägt er einen faltigen Mantel, der in der Mitte der Brust zusammengeheftet ist und
über den Rücken herabfällt. Die Kentauren sprengen beide auf Kaineus ein und halten mit der linken Hand
der eine den Rand seines Schildes, der andere seinen Kopf gepackt, indem sie zugleich auf ihn einschlagen,
der eine rechts mit einem Baumast, der andere links mit einer bauchigen Spitzamphora, die er an einem
Henkel gefasst hält; beide führen grosse Thierfelle. Der von rechts eindringende Lapithe hat die Haltung
 
Annotationen