Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 11.1890

DOI issue:
Abhandlungen
DOI article:
Benndorf, Otto: Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5770#0056
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa.

Dl

des Harmodios, er schwingt über dem Kopfe ein langes Schwert und hält die Scheide rückwärts in der
gesenkten Linken; über dem gegürteten Chiton führt er ein Obergewand, das um seinen linken Arm
gewickelt ist. Sein Genosse am linken Ende der Kaineusgruppe, der in Vordersicht, nach links schreitend,
mit erhobener Lanze zum Wurfe nach rechts ausholt, hat die nämliche Tracht; über seinen ausgestreckten
linken Arm, der über die Stossfuge hinweggreift, fällt, ähnlich wie bei Aristogeiton, ein langfaltiges Ober-
gewand herab.

Vierte Gruppe, auf A 2. Ein nach rechts gewandter Kentaur hat mit ausgestreckten Armen eine
weibliche Gestalt erhoben, um sie auf seinen Rücken zu schwingen, während ihn ein Grieche am Schöpfe
fasst und mit einem Steine gegen ihn ausholt. Der Kentaur hat, um seinen Rücken niedriger zu machen,
das linke Vorderbein schräg ausgestreckt, das rechte Vorderbein gebogen und die Hinterbeine nach vorn
unter den Bauch geschoben. Rechts neben ihm steht auf dem Boden ein Trittstein, wie sie für das Bedürfniss
der Reiter zum Aufsitzen auf den Strassen zu stehen pflegten (vergl. oben S. 5, Anm. 1). Das Weib hat er in sein
Fell gefasst, dessen Kopf und Pranken nach rechts fliegen, und sie bemüht sich in höchster Aufregung,
indem sie die Arme auseinander breitet und heftig die Beine bewegt, von ihm loszukommen. Ihr Leib ist in
Vordersicht, die Beine und der gesenkte Kopf im Profil nach links gegeben, ihre Tracht scheint nur in
einem Chiton zu bestehen. Der Grieche (Theseus?) ist jenseits des Kentauren eilig zur Rettung ein-
geschritten; ein Mantel, den er über dem gegürteten Chiton trägt, hat sich dabei gelöst und fliesst, weithin
in seinem Rücken sich ausbreitend, in schönen Falten bis auf die Erde herab.

Fünfte Gruppe. Ein nach links gewandter Kentaur würgt einen Lapithen und wird von einem
zweiten Lapithen mit der Streitaxt bedroht. Der Kentaur hat den Lapithen von hinten her erfasst, ins
Knie gedrückt und umhalst ihn nun mit dem rechten Arme, indem er ihn mit der linken Hand zugleich
am Kopfhaar packt; seine linken Beine sind schräg nach links gestellt, die beiden rechten erhoben, als
wolle er sein Opfer mit den Hufen treten; von seinem Kopfe, der im Profil nach links gesenkt gewesen
zu sein scheint, fliegt ein Thierfell, straff gespannt, mit Schweif und Hintertatzen, über den Pferdeleib nach
rechts. Der gewürgte Lapithe, anscheinend bartlos und völlig von vorn, deckt mit seinem Oberkörper
dessen Menschenleib; sein rechtes Bein steht rechtwinklig gebogen nach links auf dem Boden, sein linkes
kniet derart, dass sich der Unterschenkel stark nach rechts verkürzt; sein rechter Arm, dessen unterer
Theil bis zur Hand ausgebrochen ist, war nach oben gewendet und die Hand hatte den Kentauren über
der Stirn erfasst; sein linker Arm, dessen Ellenbogen abwärts gerichtet ist, sucht die Umschlingung des
Feindes zu lösen, indem die Hand dessen rechten Unterarm fasst. Der zur Befreiung heraneilende Lapithe
schreitet in Rückensicht aus und schwingt über seinem Kopfe mit beiden Händen eine offenbar sehr
schwere Streitaxt; dass sie besonders schwer ist, zeigt die Haltung der Hände und die Grösse des Metall-
stückes an, das sich nach beiden Seiten in gleicher Gestalt beilartig verbreitert.

Sechste Gruppe. Einem nach rechts gewandten Kentauren ist ein jugendlicher Lapithe rittlings auf
den Rücken gesprungen, um ihn mit beiden Armen zu würgen. Der Kentaur stemmt das rechte Vorder-
bein vor, hat das linke krampfhaft erhoben und knickt mit den Hinterbeinen ein, wie im Begriffe, sich zu
setzen; zugleich erfasst er mit beiden Händen abwehrend die Unterarme des Gegners; ein Thierfell fällt
über die linke Brust und den linken Oberarm nach rechts, sein Gesicht ist nach vorn gewandt. Der auf-
gesprungene Lapithe hat den rechten Unterschenkel wagrecht angezogen und das linke Bein schräg nach
vorn ausgestreckt, wo der Fuss zwischen den Vorderbeinen des Kentauren hervorsieht; von seinen Armen
sieht man nur den rechten; die Führung des linken, dessen Hand den Kentauren möglicherweise am Kopfe
packte, ist nicht klar.

Siebente Gruppe. Ein nach links gewandter Kentaur hat sich auf den Hinterfüssen steil aufgerichtet
und schlägt mit einem über dem Kopfe erhobenen Baumstamme auf einen Lapithen ein, der vor ihm auf
dem rechten Beine kniet und mit vorgehaltenem Gewände und stichbereitem Schwerte den Angriff erwartet;
ein Thierfell, mit den Hinterpranken um den Hals des Kentauren gebunden, fliegt über seinen Rücken
nach rechts.

Ziemlich für jede der beschriebenen Gruppen lassen sich Parallelen von Sculpturen des fünften Jahr-
hunderts beibringen. Beispielsweise wiederholt sich die mittlere Kaineusgruppe im Sunion, die zweite
 
Annotationen