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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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Abhandlungen
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Benndorf, Otto: Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0018
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Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa.

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rechte angezogen, den rechten Ellenbogen auf den rechten Oberschenkel gestützt, den Kopf gegen die
erhobene rechte Hand geneigt und mit der linken Hand in Kopfhöhe einen am oberen Ende, wie es
scheint, etwas gekrümmten scepterartigen Stab haltend. Ihre Kleidung besteht in einem augenschein-
lich bis zu den Füssen reichenden Chiton und einem Obergewande, welches beiderseits vom Kopfe
herabfällt und den Schooss bedeckt.

Der Streifen endet mit einer Gruppe von zwei unterliegenden Hopliten. Der eine links, im Muskel-
panzer und attischen Helme, schreitet, die Lanze schulternd, in Vordersicht nach links aus, indem er den
Leib stark neigt und den Schild gegen eine von oben drohende Gefahr hoch erhebt, etwa wie wenn er
vom Blitze getroffen würde. Der andere rechts, im Plattenpanzer und attischen Helm (der Helm mit
einem auffällig langen Schweife), ist im Profil rechtshin in das linke Knie vorgestürzt und erhält sich
vor dem völligen Zusammenbrechen noch durch den auf den Boden gestemmten Schild und rechten
Arm: die Radirung zeigt weniger, als zu erkennen bleibt.

Der Fries ist von Interesse als das erste Gesammtbild, das wir vom Zuge der Sieben vor Theben
erhalten, und als solches eröffnet er neue Einblicke in den Geist einer verlorenen Dichtung, die an Höhe
und plastisch klarer Ausbreitung eines
herrlichen Stoffes den beiden homeri-
schen Epen in der That nahe stand.

Wie oben hervorgehoben wurde,
hat der Fries in der Gliederung der
Composition eine gewisse formale
Aehnlichkeit mit anderen gemein; um
so ausgeprägter ist die Eigenart der
Handlung, die ihn auszeichnet. Das
Auge folgt nicht einer gleichmässig auf-
und abwogenden Schlacht wie in dem
trojanischen Kriege, nicht Kämpfen
wie den zuletzt beschriebenen beiden
der Südwand, die sich mit einer
gewissen Gelassenheit ausbreiten,
sondern man wird in das Ende einer
mit leidenschaftlicher Erbitterung
durchgefochtenen Niederlage versetzt und durch begleitende Wunder und überirdische Erscheinungen
stellt sich dieselbe als ein göttliches Verhängniss dar. Alles ist hier erregt und in gewaltiger Bewegung;
die Kampfmotive, Verwundung, Tod, Gefangenschaft, Flucht und Verfolgung steigern und überbieten
sich; in dämonischem Schrecken, wie Pindar und das erste Chorlied der Antigone den Ausgang schildern,
stieben die Reihen des argivischen Heeres auseinander; vergebens ruft sie die unter Blitz und Donner
erdröhnende Kriegstrompete zurück; die beiderseitigen Anführer erschlagen sich, Kapaneus stürzt
jählings von der Leiter, Amphiaraos versinkt sammt seinem Viergespann lebendig in dem Schlünde,
der sich im Schlachtfelde für ihn öffnete, und in finsterer Majestät thront fern über aller Vernichtung
der höchste Zeus, wider dessen Zeichen der Feldzug unternommen war und der nun unter allgemeinem
Aufruhr von Himmel und Erde seinen Rathschluss vollendet.

Geistreich ist der Streit der beiden königlichen Brüder als die Seele des Krieges, ähnlich wie
Helena im troischen Friese, in die Mitte des Ganzen gebracht und dadurch, dass er noch schwebt, vor
allen übrigen Kämpfen, deren Schicksal ohne Ausnahme bereits entschieden ist, hervorgehoben. Da
die Stadt in der rechten Hälfte des Frieses angedeutet ist, während die Flucht in das Freie linkshin

1 Diese Abbildung konnte, ebenso wie Fig. 157 und 158, nach Probetafeln des in Herausgabe begriffenen zweiten Bandes
des Urnenwerkes (G. Körte, 1 rilievi delle urne etrusche, vol. II, tav. XIX I, XXIV8, XXV2) hergestellt werden. Mit Ge-
nehmigung der Centraldirection des kais. deutschen archäologischen Institutes hatte der Autor des Bandes die Güte, jene
Tafeln nebst dem zugehörigen Texte zur Verfügung zu stellen.

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