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Otto Benndorf.
Eile steigerte und durch die aufgenommenen perspectivischen Elemente, da ja die haarscharfen Profil-
und Vordersichten aus der thatsächlichen Unendlichkeit der Erscheinung nicht mehr als zwei seltene
Fälle aushoben, das Ansehen grösserer Natürlichkeit gewann: allem Früheren gegenüber eine kühne,
plötzliche Neuerung, die in der Hauptsache gleich so fertig dasteht, dass sie sich nicht im untergeord-
neten Handwerk gewissermassen von selbst vollzogen haben kann sondern als Erfindung eines führenden
Meisters der Malerei zu erkennen gibt. Dem älteren rothfigurigen Stil, der doch so unternehmend nach
allen Seiten ausgreift, ist das neue Schema noch völlig fremd; erst die Vasenmalerei der zweiten Hälfte
des fünften Jahrhunderts weist es auf (vergl. Fig. 181);1 geht man die Reihe der signirten Gefässe durch,
so liefern Xenophantos mit einem Zweigespanne und Meidias die ersten Beispiele; schwarzfigurige
Gefässe, auf denen es sich, und zwar immer flüchtig karikirt, findet, — oft fehlen jenseits der Pferde die
Untertheile der Figuren und das Wagengehäuse — sind sichtlich späteren Ursprungs.2 Gegen Ende
des fünften Jahrhunderts bürgert es sich, den älteren Profiltypus verdrängend, in den Darstellungskreis
181. Bild einer Amphora des Museums von Arezzo.
der sicilischen Münzen ein; es erlebt in der Folge formelle Steigerungen und beherrscht mit diesen die
weitere Kunst des Alterthums. Nach alledem wird man seine Entstehung in der Zeit des Polygnot
zu suchen haben und neben einigen stilistisch nicht weit abliegenden Weihereliefs von hippischen
Siegern,3 unter denen das spartanische des Damonon, von dem mir eine Skizze Emanuel Löwys
vorliegt, mit seiner alterthümlichen Inschrift über das vierte Jahrhundert hinaufreicht,* werden die
Viergespanne von Gjölbaschi zu den frühesten Verwendungen des Schemas in der Sculptur gehören.
Schliesslich ergibt auch eine Betrachtung der wenigen auf die Zeit prüfbaren Naturformen nichts,
was mit dem Gesagten in Widerspruch stände. Der überhangende Felsen, gegen den sich Theseus
stemmt (Tafel XIX 11), die aufragenden Klippen des Skironabenteuers (vergl. Fig. 148),5 der Berg in
dem Perseusbilde, hinter dem ein Thier zum Vorschein kommt,6 die Höhle, aus der ein Kentaur her-
1 Amphora des Museums von Arezzo, Monument) inediti dell' instituto VIII, 3; vergl. X, 25: Aryballos von Gapua in
Berlin Nr. 3072.
2 Brunn, Ueber die Ausgrabungen der Certosa von Bologna, S. 48 f.
3 Besprochen von Furtwängler, Sammlung Sabouroff, im Text zu Taf. XXVI.
4 Mittheilungen des kais. deutschen archäologischen Institutes in Athen II, S. 318. Röhl, I. G. A. 79.
5 Nach J. de Witte, Collection du prince Czartoryski, pl. XIII.
6 Vergl. z. B. Annali dell" instituto 1845, lav- d'aSS- c-
Otto Benndorf.
Eile steigerte und durch die aufgenommenen perspectivischen Elemente, da ja die haarscharfen Profil-
und Vordersichten aus der thatsächlichen Unendlichkeit der Erscheinung nicht mehr als zwei seltene
Fälle aushoben, das Ansehen grösserer Natürlichkeit gewann: allem Früheren gegenüber eine kühne,
plötzliche Neuerung, die in der Hauptsache gleich so fertig dasteht, dass sie sich nicht im untergeord-
neten Handwerk gewissermassen von selbst vollzogen haben kann sondern als Erfindung eines führenden
Meisters der Malerei zu erkennen gibt. Dem älteren rothfigurigen Stil, der doch so unternehmend nach
allen Seiten ausgreift, ist das neue Schema noch völlig fremd; erst die Vasenmalerei der zweiten Hälfte
des fünften Jahrhunderts weist es auf (vergl. Fig. 181);1 geht man die Reihe der signirten Gefässe durch,
so liefern Xenophantos mit einem Zweigespanne und Meidias die ersten Beispiele; schwarzfigurige
Gefässe, auf denen es sich, und zwar immer flüchtig karikirt, findet, — oft fehlen jenseits der Pferde die
Untertheile der Figuren und das Wagengehäuse — sind sichtlich späteren Ursprungs.2 Gegen Ende
des fünften Jahrhunderts bürgert es sich, den älteren Profiltypus verdrängend, in den Darstellungskreis
181. Bild einer Amphora des Museums von Arezzo.
der sicilischen Münzen ein; es erlebt in der Folge formelle Steigerungen und beherrscht mit diesen die
weitere Kunst des Alterthums. Nach alledem wird man seine Entstehung in der Zeit des Polygnot
zu suchen haben und neben einigen stilistisch nicht weit abliegenden Weihereliefs von hippischen
Siegern,3 unter denen das spartanische des Damonon, von dem mir eine Skizze Emanuel Löwys
vorliegt, mit seiner alterthümlichen Inschrift über das vierte Jahrhundert hinaufreicht,* werden die
Viergespanne von Gjölbaschi zu den frühesten Verwendungen des Schemas in der Sculptur gehören.
Schliesslich ergibt auch eine Betrachtung der wenigen auf die Zeit prüfbaren Naturformen nichts,
was mit dem Gesagten in Widerspruch stände. Der überhangende Felsen, gegen den sich Theseus
stemmt (Tafel XIX 11), die aufragenden Klippen des Skironabenteuers (vergl. Fig. 148),5 der Berg in
dem Perseusbilde, hinter dem ein Thier zum Vorschein kommt,6 die Höhle, aus der ein Kentaur her-
1 Amphora des Museums von Arezzo, Monument) inediti dell' instituto VIII, 3; vergl. X, 25: Aryballos von Gapua in
Berlin Nr. 3072.
2 Brunn, Ueber die Ausgrabungen der Certosa von Bologna, S. 48 f.
3 Besprochen von Furtwängler, Sammlung Sabouroff, im Text zu Taf. XXVI.
4 Mittheilungen des kais. deutschen archäologischen Institutes in Athen II, S. 318. Röhl, I. G. A. 79.
5 Nach J. de Witte, Collection du prince Czartoryski, pl. XIII.
6 Vergl. z. B. Annali dell" instituto 1845, lav- d'aSS- c-