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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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Benndorf, Otto: Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0079
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Otto Benndorf. Das Heroon von Gjölbaschi-Trysa.

wurde und selbst in den zu mythologischem Ornament erstarrenden Amazonen- und Kentaurenkämpfen
spätgriechischer Grabstelen nicht ganz untergeht, hat sich in der Fülle von Gjölbaschi lediglich vielsei-
tiger getheilt und voller ergossen. Ob daneben ein Gedankenfaden besonderer Art die einzelnen Theile
verband, ob sie der Stifter des Heroon nach stofflichen Interessen, etwa im Hinblick auf nähere Bezie-
hungen seines Geschlechtes, auswählte oder ob sie die bestellten Künstler nach formellen Rücksichten ihrem
Vorrathe entnahmen, werden Verschiedene verschieden beurtheilen und bleibt für mich eine offene Frage.

Eine offene Frage fast wie die andere nach der Herkunft der Künstler. Die Bildhauer des
Nereidenmonuments gelten für Lykier, die sich in Athen gebildet hatten und einen Abglanz der peri-
kleischen Epoche, so gut sie vermochten, in ihre bescheidene Heimat übertrugen. Aber der Werth ihrer
Leistung ist vielfach unterschätzt und Manches von dem, was an ihr provinzial erschien, ist Eigenart
ostgriechischer Kunst überhaupt, welche im Verhältniss zur attischen trotz aller zunehmenden Wechsel-
beziehungen noch die Selbständigkeit einer parallelen Entwicklung behauptete. Ich räume ein, dass der
harte Eindruck, den wir von dem prähistorischen Elende der heutigen Bevölkerung und der Verkehrsnoth
ihres weglosen Alpenlandes bekamen, nicht ohne Weiteres zum Maasstab für die antike Cultur genom-
men werden darf. Indessen kann es kaum Zufall sein, dass Lykien in der Ueberlieferung griechischer
Kunst keine Rolle spielt. Die einzige Bildhauerinschrift, die wir besitzen (Fig. n), steht auf einer un-
scheinbaren späten Stele; Protogones stammte nach Einigen aus Xanthos, schlug jedoch in Rhodos seinen
Kunstsitz auf und Bilder des Zeus und Apollon (vergl. Jahrbuch, Bd. IX, S. 37, Anm. 1) von Pheidias
oder Bryaxis Hand sollen sich in Patara befunden haben: das dürfte so ziemlich Alles sein. Vergegen-
wärtige ich mir die ausgedehnten lykischen Trümmerstätten mit ihrem völligen Mangel von Marmor,
die seltenen Reste von Steinbauten aus älterer Zeit, die allgemeine Armuth der architektonischen Glie-
derungen, das gänzliche Fehlen von hellenistischen Sculpturen, so will mir eine irgend erhebliche ein-
heimische Kunstblüthe auch heute noch schwer erweislich erscheinen. Denn wie die analogen Verhältnisse
von Samothrake und Phigalia lehren und wie dies an sich überall das Natürliche ist, werden mit dem
kostbaren Materiale des Nereidenmonumentes auch die fertigstellenden Künstler zugewandert sein,
möglicherweise von dem nächsten Weltplatze der griechischen Kunst, von der Insel Rhodos, für deren
frühe Cultur wie später für ihre Politik Lykien die zugehörige Peraia war. Eine ähnliche Zuwanderung
möchte ich auch für Gjölbaschi voraussetzen und in den stilistisch sehr merkwürdigen Sculpturen von
Myra nur unvollkommenere Beispiele derselben Kunstrichtung aus gleicher oder älterer Zeit erkennen.
Die ganze Frage ruht indessen besser, bis sie durch neues Material ein anderes Fundament erhält.
Jedesfalls ist der Grundstock der mythologischen Compositionen nicht in Lykien erwachsen. Dass die
Künstler einigermassen von Vorlagen abhängig waren, scheinen auch die leeren Stellen an den Enden
des thebanischen Frieses und der Landungsschlacht, vielleicht selbst die leere Stelle bei Penelope, wo
indessen Malerei möglich wäre (vergl. Jahrbuch, Bd. IX, S. 102), zu beweisen.

Ohne Einwirkungen mutterländischer, insbesondere attischer Kunst freilich ist kein ostgriechi-
sches Denkmal dieser Zeit zu denken. Das Heroon erinnert an den Peribolos mit dem Freiermord in
Korinth (Jahrbuch, Bd. IX, S. 105, Anm. 2), an das reliefgeschmückte Aiakeion auf Aigina, vor Allem
an das von Kimon gestiftete Theseusheiligthum in Athen, dessen berühmte Gemälde die Umfassungs-
mauern des Heroengrabes in umlaufenden Hallen verziert haben mögen wie die Friesreliefs in Trysa.

Seit Kimon und der für diese Gegenden besonders epochemachenden Schlacht am Eurymedon
gehört Lykien zum delisch-attischen Bunde, um kurz darauf, während des Samischen Krieges, auf lange
wieder der persischen Macht zu verfallen. Auf diese Wiedereroberung bezieht sich das hoch ins fünfte
Jahrhundert reichende Epigramm der wichtigsten lykischen Urkunde, der Columna Xanthiaca. Darnach
setzte der erobernde Harpagide Subregenten zur Befestigung der Königsherrschaft ein: neXXot? ovfYe-
vscrt cö>y.s i>.ipoq ßaatXeac, wie in einem an Guerillakrieg gewohnten Lande natürlich war. Im Thorschmuck
kündigt sich ein höfischer Bezug des Heroonstifters an (Jahrbuch, Bd. IX, S. 70). Vielleicht führte dieser
den persischen Hoftitel eines Syngenes und war einer jener Subregenten. Die Zeit würde stimmen und
es ist jedesfalls Pflicht, auf diese Möglichkeit hinzuweisen.
 
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