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Robert von Schneider.
aber desto festere Schritt verleiht der Figur, so klein sie ist, etwas von der mächtigen Wirkung, welche
dem Motive, wäre es im Grossen ausgeführt, zukommen müsste. Man werfe einen vergleichenden
Blick auf ähnliche aber noch nicht völlig ausgereifte Gebilde archaischer Kunst, wie etwa auf eine der
Bronzen von der Akropolis in Athen,1 oder auf spätere Producte, wie auf die bronzene Statuette der
Payne-Knight'schen Sammlung im britischen Museum,2 und man wird sehen, dass bei den einen wie
bei den andern durch das blosse Beugen der Beine im Kniegelenke der Eindruck des Unüberwindlichen
und Unaufhaltsamen im Vordringen der Göttin wesentlich beeinträchtigt ist. Am nächsten steht unsere
Bronze einem Figürchen,3 das vor ungefähr achtzehn Jahren in Athen gefunden und vom britischen
Museum erworben wurde, und zwar ebenso im Gefälte des Kleides als in dessen Gürtung vorne durch
zwei Schlangen der Aegis. Doch hängt das Apoptygma des Peplos an der Londoner Bronze weniger
tief herab, wogegen die Aegis im Rücken, welche an der Wiener nur das Gesäss bedeckt, nahe bis zur
Kniebeuge reicht. Auf die Schultern fallen Haarsträhne, die unserer Statuette fehlen. Letztere ist von
breiteren, trotz ihrer Kleinheit, möchte man sagen, wuchtigeren Formen, überhaupt sichtlich älter als
die zierlichere und feinere in London, welche nicht früher als etwa um die Mitte des fünften Jahr-
hunderts angesetzt werden kann.
Die Ausführung unseres Figürchens ist von tadelloser Sorgfalt. Durchgehends ist es ciselirt. Be-
sonders sauber sind die Schuppen der Aegis und das im Nacken in breiter Masse herabfallende, leicht
gewellte Haar ausgearbeitet. Das Gorgoneion ist in Silber eingelegt wie an einer Statuette der laufen-
den Pallas im Cabinet des medailles zu Paris."> Die Augen sind eingebohrt und ihre Pupillen waren
vermuthlich durch Glaspasten angezeigt. Die Helmkappe war sammt dem Helmbusche wohl aus Silber
geformt, während Nacken- und Wangenschirme mitgegossen worden sind und nur mit Silberplättchen
belegt gewesen sein dürften. Ein ziemlich tiefes Bohrloch auf der Höhe des Scheitels hat zum Einsetzen
der verhältnissmässig mächtigen Crista gedient. Der erhobene rechte Arm ist unverletzt; durch seine
hohle Faust war der Speer gesteckt. Der linke dagegen war mit dem Schilde, der ihn deckte, gesondert
gegossen und in das für seine Aufnahme beckenförmig vertiefte Schulterstück eingesetzt. Die Fuge ver-
barg die übergreifende Aegis. Das Gesicht ist Verstössen. Die Füsse sind modern abgesägt.
Das Figürchen misst gegenwärtig 0-073 M. in der Höhe. Sammt den Füssen und dem Helm-
busche war es gewiss über 0-08 M. hoch. Gleichwohl wäre es noch immer beträchtlich kleiner als die
ähnlichen Bronzefiguren der Göttin, welche eine Höhe von 012 bis o-3o M. haben. ,Es kann demnach
kaum ein selbstständiges Votivgeschenk wie manche derselben gewesen sein sondern diente vielmehr
zur Bekrönung eines Kandelaberschaftes oder einem ähnlichen decorativen Zwecke.
Schwerlich ist es griechischen Fundortes. Möglicherweise aber stammt es aus Sicilien oder Unter-
italien. Auch auf Münzen von Syrakus5 und Metapontb begegnen wir dem Bilde der Promachos.
IL Weibliche Statuette archaischen Stiles.
Tafel V gibt von vorne und in einer Profilansicht eine bronzene Statuette (0*20 M. hoch) wieder,
die v. Sacken für ein späteres Werk der etruskischen Kunst erklärt hat: sie bewahre nur in der
Stellung der Füsse und in der Anordnung des Gewandes und des Haares »archaistisches« Gepräge, der
Wuchs, die leichte runde Bewegung der Arme, das freundliche volle Gesicht, die naturgemässe Bildung
1 'E<prj[iepi; äpx.aioXoYut)j 1887, Taf. 7.
2 Specimens of ancient sculpture, vol. I, Taf. l3. Clarac 471, 897.
3 Murray, history of greek sculpture, vol. II, Taf. 10, Fig. 1. Die oben gegebene Zeitbestimmung des Figürchens spricht
auch Furtwängler a. a. O. aus. Wesentliche Zusätze zu meinen eigenen dasselbe betreffenden Notizen verdanke ich der nie ver-
sagenden Gefälligkeit des Herrn A.-S. Murray.
4 Aus dem Funde von Chälon-sur-Saöne 1763. Chabouillet, catalogue gendral, no. 2962. Caylus, recueil, vol. VII, Taf.
LXXX, 2.
5 Head, coinage of Syracuse (Numismatic Chronicle, new Series vol. XIV. 1874), Taf. X, 11, 12. Catalogue of the greek
coins in the British Museum, Sicily, pag. 206.
6 Carelli-Cavedoni, numorum Italiae veteris tab. CLIX, 179—181. Catalogue &c, Italy, pag. 263.
Robert von Schneider.
aber desto festere Schritt verleiht der Figur, so klein sie ist, etwas von der mächtigen Wirkung, welche
dem Motive, wäre es im Grossen ausgeführt, zukommen müsste. Man werfe einen vergleichenden
Blick auf ähnliche aber noch nicht völlig ausgereifte Gebilde archaischer Kunst, wie etwa auf eine der
Bronzen von der Akropolis in Athen,1 oder auf spätere Producte, wie auf die bronzene Statuette der
Payne-Knight'schen Sammlung im britischen Museum,2 und man wird sehen, dass bei den einen wie
bei den andern durch das blosse Beugen der Beine im Kniegelenke der Eindruck des Unüberwindlichen
und Unaufhaltsamen im Vordringen der Göttin wesentlich beeinträchtigt ist. Am nächsten steht unsere
Bronze einem Figürchen,3 das vor ungefähr achtzehn Jahren in Athen gefunden und vom britischen
Museum erworben wurde, und zwar ebenso im Gefälte des Kleides als in dessen Gürtung vorne durch
zwei Schlangen der Aegis. Doch hängt das Apoptygma des Peplos an der Londoner Bronze weniger
tief herab, wogegen die Aegis im Rücken, welche an der Wiener nur das Gesäss bedeckt, nahe bis zur
Kniebeuge reicht. Auf die Schultern fallen Haarsträhne, die unserer Statuette fehlen. Letztere ist von
breiteren, trotz ihrer Kleinheit, möchte man sagen, wuchtigeren Formen, überhaupt sichtlich älter als
die zierlichere und feinere in London, welche nicht früher als etwa um die Mitte des fünften Jahr-
hunderts angesetzt werden kann.
Die Ausführung unseres Figürchens ist von tadelloser Sorgfalt. Durchgehends ist es ciselirt. Be-
sonders sauber sind die Schuppen der Aegis und das im Nacken in breiter Masse herabfallende, leicht
gewellte Haar ausgearbeitet. Das Gorgoneion ist in Silber eingelegt wie an einer Statuette der laufen-
den Pallas im Cabinet des medailles zu Paris."> Die Augen sind eingebohrt und ihre Pupillen waren
vermuthlich durch Glaspasten angezeigt. Die Helmkappe war sammt dem Helmbusche wohl aus Silber
geformt, während Nacken- und Wangenschirme mitgegossen worden sind und nur mit Silberplättchen
belegt gewesen sein dürften. Ein ziemlich tiefes Bohrloch auf der Höhe des Scheitels hat zum Einsetzen
der verhältnissmässig mächtigen Crista gedient. Der erhobene rechte Arm ist unverletzt; durch seine
hohle Faust war der Speer gesteckt. Der linke dagegen war mit dem Schilde, der ihn deckte, gesondert
gegossen und in das für seine Aufnahme beckenförmig vertiefte Schulterstück eingesetzt. Die Fuge ver-
barg die übergreifende Aegis. Das Gesicht ist Verstössen. Die Füsse sind modern abgesägt.
Das Figürchen misst gegenwärtig 0-073 M. in der Höhe. Sammt den Füssen und dem Helm-
busche war es gewiss über 0-08 M. hoch. Gleichwohl wäre es noch immer beträchtlich kleiner als die
ähnlichen Bronzefiguren der Göttin, welche eine Höhe von 012 bis o-3o M. haben. ,Es kann demnach
kaum ein selbstständiges Votivgeschenk wie manche derselben gewesen sein sondern diente vielmehr
zur Bekrönung eines Kandelaberschaftes oder einem ähnlichen decorativen Zwecke.
Schwerlich ist es griechischen Fundortes. Möglicherweise aber stammt es aus Sicilien oder Unter-
italien. Auch auf Münzen von Syrakus5 und Metapontb begegnen wir dem Bilde der Promachos.
IL Weibliche Statuette archaischen Stiles.
Tafel V gibt von vorne und in einer Profilansicht eine bronzene Statuette (0*20 M. hoch) wieder,
die v. Sacken für ein späteres Werk der etruskischen Kunst erklärt hat: sie bewahre nur in der
Stellung der Füsse und in der Anordnung des Gewandes und des Haares »archaistisches« Gepräge, der
Wuchs, die leichte runde Bewegung der Arme, das freundliche volle Gesicht, die naturgemässe Bildung
1 'E<prj[iepi; äpx.aioXoYut)j 1887, Taf. 7.
2 Specimens of ancient sculpture, vol. I, Taf. l3. Clarac 471, 897.
3 Murray, history of greek sculpture, vol. II, Taf. 10, Fig. 1. Die oben gegebene Zeitbestimmung des Figürchens spricht
auch Furtwängler a. a. O. aus. Wesentliche Zusätze zu meinen eigenen dasselbe betreffenden Notizen verdanke ich der nie ver-
sagenden Gefälligkeit des Herrn A.-S. Murray.
4 Aus dem Funde von Chälon-sur-Saöne 1763. Chabouillet, catalogue gendral, no. 2962. Caylus, recueil, vol. VII, Taf.
LXXX, 2.
5 Head, coinage of Syracuse (Numismatic Chronicle, new Series vol. XIV. 1874), Taf. X, 11, 12. Catalogue of the greek
coins in the British Museum, Sicily, pag. 206.
6 Carelli-Cavedoni, numorum Italiae veteris tab. CLIX, 179—181. Catalogue &c, Italy, pag. 263.