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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Bildnissmedaillen der Spätrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0098
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Bildnissmedaillcn der Spätrenaissance.

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Diese Tiroler Reise des Heraeus, der in der Geschichte der kaiserlichen Medaillen-Sammlung eine
grosse Rolle spielt, führt uns zu einem anderen Mitgliede des Erzhauses, das sich als Sammler hervor-
gethan hat, Kaiser Karl VI., dem Begründer des »modernen Münzen- und Medaillen-Cabinetes«. Bisher
hatte die kaiserliche Sammlung nur antike Gepräge, vorzüglich römische, aufgenommen, und zwar in
beträchtlicher Anzahl, wie ihr ältester, schon unter Kaiser Ferdinand I. entstandener Katalog beweist;1
allein Münzen des Mittelalters, der Renaissance und aus späterer Zeit blieben vernachlässigt. Erst Kaiser
Karl VI. fasste die Ergänzung in dieser Richtung ins Auge und genehmigte die Vorschläge, welche
Heraeus gemacht hatte. Nun wurden die einschlägigen Objecte aus allen kaiserlichen Kunstkammern
und Schlössern vereinigt und es geschah eben zu diesem Zwecke, dass Heraeus Innsbruck und Am-
bras besuchte. Späterhin wurden Ankäufe grösseren Umfanges durchgeführt, von denen jene beson-
ders hervorzuheben sind, welche die kaiserlichen Gesandten in Rom, Marquis Hercules Joseph Ludwig
de Prie und Johann Wenzel Graf Gallas, in den Jahren 1715 bis 1717 in Italien besorgen Hessen; in
solcher Weise kamen über elfhundert Bronzegüsse und eine Anzahl alter Bleiabstösse in die Samm-
lung, zumeist von italienischen Bildnissmedaillen.2

Nebenher bereitete Heraeus die Publication der neuen Erwerbungen vor, indem er die Medaillen
regierender geistlicher und weltlicher Fürsten, also mit Ausschluss jener auf berühmte Männer und auf
Privatpersonen, im Laufe der Jahre auf 65 Kupfertafeln in Folio stechen Hess. Ein widriger Zufall
vereitelte die Herausgabe,3 die erst hundert Jahre später durch Director v. Steinbüchel erfolgtet Diese
Publication ist wegen des Reichthumes und der Mannigfaltigkeit des gebotenen Inhaltes noch jetzt
ein gerne benütztes Quellenwerk für Medaillenkunde, obwohl die späteren Drucke den älteren Abzügen
der Platten an Schärfe und Reinheit nachstehen.5

Heraeus bezeichnet das neubegründete »moderne Cabinet« gerne als Cimeliarchium oder Nummo-
phylacium Carolinum; unten wird es von uns als die alte österreichische Sammlung oder das alte öster-
reichische Cabinet angeführt zum Unterschiede von dem sogenannten lothringischen Cabinet, welches
später hinzukam und neben ersterem den wichtigsten Bestandteil der heutigen Medaillen-Sammlung
des Allerhöchsten Kaiserhauses bildet.

Das lothringische Cabinet begreift in sich die auserlesene Sammlung, welche der dritte erlauchte
Sammler des Erzhauses bildete, Herzog Franz Stephan von Lothringen, Gemahl der Kaiserin Maria
Theresia, seit 1737 Grossherzog von Toscana, seit 1745 römisch-deutscher Kaiser. Ueber das Entstehen

1 Der Katalog, von Leopold Heyp erger verfasst, rindet sich in der Bibliothek der Königin Christine von Schweden
in Rom (Nr. 661). J. Bergmann, Sitzungsber. der kais. Akademie der Wissenschaften XIX, 66 und 67. — P. Beda Dudi'k,
Iter Romanum I, 224.

2 J. Bergmann, a.a.O., XIX, 33 (Separatabdruck 5). — Zu der 1715 vom Grafen Gallas veranlassten Sendung
macht Heraeus (Journal, p. 207) am Schlüsse des Verzeichnisses, das 527 Medaillen in Kupfer und 122 Bleiabschläge auf-
führt, die Bemerkung: »Diese sind die ausgesuchten zum kais. Cabinet dienlichen Medaillen, deren pag. 180 gedacht wird,
dass sie aus Rom kommen sollen. Der Werth dieser ausgeklaubten Zahl steigt so hoch, dass er die Unkosten der doppelten
zurückgelegten (d. i. der durch die Sendung entstandenen Doubletten) reichlich übersteigt!«

3 Nach Heraeus'Austritt aus dem kaiserlichen Dienste — es war auf ihn der Verdacht geworfen worden, er habe
Münzen veruntreut, — fanden sich nur 26 Kupferplatten jenes Werkes in dem kais. Cabinele vor. Die übrigen hatte er
in einer Kiste in die Veitsch (Steiermark) mitgenommen, wo er sein Vermögen fruchtlos an ein neues Kupferbergwerk
vergeudete. Bei seinem Tode, der bald nach 1726 erfolgt sein dürfte, wurde diese Kiste, von der man vermuthete, dass
sie dem Hofe eigenthümliche Objecte enthalte, in die Wohnung des Hofmarschalls Grafen Brandis gebracht und gerieth
hier in Vergessenheit; nach des Letzteren Tode (1746) erbat sich dessen Tochter Gräfin Judith, die um den Inhalt aber
nicht um den Sachverhalt wusste, von den PP. Augustinern die Aufbewahrung der Kiste in einem Winkel ihres Klosters.
Erst 1756 war De France gesprächsweise und zufällig daraufgekommen und fand in der Kiste 37 Platten des Medaillen-
werkes. Zwei derselben: Tab. XI, Numismata ordinum provincialium Brisgoviae, und Tab. LXIV, Numismata Carrariorum
dominorum Petavii (Patavii) blieben verschollen. Kaiser Franz hatte an den wiedergefundenen Platten, die nun mit den
übrigen 26 ein treffliches Tafelwerk darstellten, grosse Freude und Hess sofort einige Abzüge vor der Schrift machen;
allein zu einer Veröffentlichung kam es auch jetzt nicht, dies wohl aus dem Grunde, weil eben damals die Herausgabe der
grossen Prachtwerke (Monnoyes en or und Monnoyes en argem) im Zuge war.

4 Bildnisse regierender Fürsten u. s. w., Wien 1828, Folio, 99 Seiten und 63 Tafeln.

5 Ueber des Heraeus Werk und seine Schicksale hat eingehend J. Bergmann in den Sitzungsber. der kais. Akademie
der Wissenschaften XIII, 539 f. (Separatabdruck 18) gehandelt.
 
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