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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 12.1891

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Abhandlungen
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Schäffer, August: Die Landschaften der Gemälde-Galerie des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5903#0250
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Die Landschaften der Gemälde-Galerie.

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figuralen Darstellung und in dieser mehr oder minder noch abhängigen Position haben wir sie auch
mit Ausnahme einer verhältnissmässig kleinen Gruppe von Bildern, die aber bereits dem 17. und
18. Jahrhundert angehört, in der italienischen Abtheilung unserer Sammlung aufzusuchen und in Be-
trachtung zu ziehen. Es sind demnach in der ersten Gruppe dieser Abhandlung vornehmlich die land-
schaftlichen Hintergründe figuraler Darstellungen, mit welchen wir uns zu beschäftigen haben werden;
in diesen aber finden wir gar viel des Interessanten und Eigenthümlichen, ebenso aber auch einen
kaum minder hohen Grad fachlicher Entwicklung und charaktervoller Eigenart als zur selben Zeit in
der niederländischen Kunst, woselbst, wie bereits angedeutet, die Landschaftsmalerei durch die Meister
Patenier, Herry Met de Bles und ihre Nachfolger schon um 1500 zu einer selbstständigen Stellung
gelangt war.

Die Frühmeister der italienischen Renaissance finden wir in der kaiserlichen Gemäldesammlung
nur sehr spärlich vertreten. Der Hauptbestand derselben gipfelt in der raphaelischen Zeit und den ihr
nachfolgenden Kunstepochen. Die frühesten Erscheinungen der landschaftlichen Grunde, wie wir sie
bei Giotto und anderen Vorgängern der grossen italienischen Glanzperiode sehen, entfallen demnach
hier in unserer Betrachtung ganz und wir haben es sogleich mit einer Periode des künstlerischen
Schaffens in der Landschaft zu thun, welche schon weit über die ersten Anfänge der Entwicklung
hinaus ist. Ich kann es daher auch ohne wesentliche Hintansetzung der chronologischen Folge wagen,
die Besprechung der landschaftlichen Gründe mit dem in der italienischen Abtheilung wohl zu höchst
stehenden Werke der kaiserlichen Gemäldesammlung zu beginnen, selbstverständlich mit dem Vor-
behalte, auf die diesem Werke in der Zeit noch vorangehenden Kunstschöpfungen, und zwar in ihrer
Einordnung nach den diversen Schulen der italienischen Kunst, später zurückzukommen. Es ist
Raphael's »Madonna im Grünen«,1 das von Christian Mechel2 zuerst benannte so köstliche Jugend-
werk des Meisters, dessen landschaftlicher Grund uns das vollendete Bild derjenigen Entwicklung der
Landschaftsmalerei gibt, wie sich dieselbe etwa seit i3oo bis um 1500, also seit den ersten nennens-
werthen landschaftlichen Anfängen bis zur Zeit des grossen Urbinaten dargethan hat.

Man betrachte nur die Luft: welch eine Harmonie und Fülle von Licht im Aether, welch ein
reifes Formenverständniss in den Wolkenbildungen und mit welch vornehmer Feinheit sind, hervor-
gehend aus der reinen Naturbeobachtung, die hoch im Aether schwimmenden Wolken (Cumuli) model-
lirt. Der etwas milchige Ton in der Atmosphäre verhüllt leicht die Localfarben des lichtumflossenen
Hintergrundes, welcher sich als breites, bewohntes Thal mit einem Flusse darstellt, zu dessen beiden
Seiten sich in geschmeidigem Lineament leichte Anhöhen erheben, während der Vordergrund aus etwas
sterilem, leicht coupirtem Terrain besteht. Die ruhige Tagesstimmung ist mit einer angenehmen Kühle
des Tons zum Ausdruck gebracht; vom Mittelgrunde an bis vorne liegt ein Wolkenschatten, in dessen
Helldunkel Maria mit den beiden heiligen Knaben sitzt. Die den einfach gehaltenen Vordergrund ver-
zierenden Pflanzen sind mit botanischer Treue behandelt. Eine kleine Baumpartie, welche den Mittel-
grund links im Bilde zum Abschluss bringt, weist auf Signorelli's zierliche Behandlung landschaft-
lichen Beiwerkes hin. Aber mit derselben Deutlichkeit nehmen wir auch Perugino's Einfluss wahr
und es dürfte in unmittelbarem Anschlüsse hieran von Interesse sein, die Werke Perugino's daraufhin
zu untersuchen, inwieweit dieselben in ihren landschaftlichen Theilen auf die Naturanschauung seines
grossen Schülers Raphael Einfluss genommen haben mögen.

Wir sehen bei Perugino bereits den klaren, von atmosphärischem Duft erfüllten Himmel an-
gestrebt, den dann Raphael mit einer so hohen Feinheit der Beobachtung wiederzugeben wusste;
ebenso verwandt in der Darstellung zeigen sich in den Werken Perugino's die landschaftlichen

1 Nr. 36o des Kataloges zur neuen Aufstellung in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiser-
hauses von Eduard R. v. Engerth (s. daselbst Beschreibung und Provenienz); im Inventar des Schlosses Ambras von
1730 unter Nr. i3s genau beschrieben, 1773 nach Wien übertragen. - J. D. Passavant, Raphael von Urbino, II. Theil,
Nr. 37: Die heilige Jungfrau im Grünen.

2 Siehe beschreibendes Verzeichniss der kaiserlichen Gemäldesammlung von Eduard R. v. Engerth, 1882, I. Bd.,
Zur Geschichte der kaiserlichen Gemälde-Galerie, p. LX1I.

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